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Der Aufstieg des deutschen Europa

 
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davX
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Anmeldungsdatum: 08.06.2004
Beiträge: 8494
Wohnort: Schweiz

BeitragVerfasst am: 24.03.2015 09:45    Titel: Der Aufstieg des deutschen Europa Antworten mit Zitat

Ich habe einen interessanten Beitrag zu den Auswirkungen des Euro auf Europa gefunden und insbesondere auch die Rolle der deutschen Wirtschaftspolitik, die durch Hartz-Reformen und den massiven Exportüberschuss zementiert wurde. Der Artikel kommt dabei zu einem vernichtenden Fazit, aber er ist sehr lesenswert und stimmt auch nachdenklich, wenn man dann diese Griechenlandhetze in den Boulevard-Blätter, selbst bis hinein in die klassischen Medien liest (in der Schweiz wird da übrigens auch gerne munter mit drein gedroschen, obwohl wir mit unserer Währungspolitik auch nicht viel besser sind...):
http://www.heise.de/tp/artikel/44/44423/1.html

Die deutschen Exporterfolge schaden dem restlichen Europa (insbesondere Südeuropa), da Überschüsse an einem Ort stets Schulden an einem anderen Ort erzeugen müssen. Da sich die anderen Staaten nicht durch Währungsabwertung wehren können, sind sie der gnadenlosen Geldpolitik Deutschlands ausgeliefert:
Zitat:

Diese deutschen Exporterfolge sind nur deswegen möglich, weil sich die Zielländer dieser Exportoffensiven verschuldeten. Ein Leistungsbilanzüberschuss der BRD von 429,5 Milliarden Euro gegenüber der südlichen Peripherie der Eurozone bedeutet nun mal auch, dass dies einem korrespondierenden Schuldenberg in eben dieser Höhe in den betroffenen Ländern entspricht. So will es nun mal die Mathematik.

Auf globaler Ebene handelt es sich nämlich schlicht um ein Nullsummenspiel: Werden weltweit alle Exportüberschüsse und Handelsdefizite miteinander verrechnet, dann ergibt dies immer genau Null Euro. Eine einzelne Volkswirtschaft kann somit nur dann Exportüberschüsse erwirtschaften, wenn andere Länder Defizite verzeichnen. Deshalb gilt immer: Deutschland Exportindustrie konnte nur deswegen so erfolgreich sein, weil sich die Zielländer dieser deutschen Exporte verschuldeten. Dies ist eine logisch-arithmetische Gesetzmäßigkeit, die selbst die abenteuerlichsten ideologischen Konstrukte deutscher Politiker und "Ökonomen" nicht hinwegwischen können

Und das ist der springende, absurde Punkt an der deutschen Wirtschaftspolitik: Das exportfixierte deutsche Wirtschaftsmodell beruht letztendlich auf der Auftürmung eben jener Auslandsschulden, die im deutschen Krisendiskurs so vehement verteufelt werden. (...) Zugespitzt könnte mensch formulieren, dass es gerade die dargelegte deutsche Strategie der totalen Exportausrichtung war, die Europas südliche Peripherie in die gegenwärtige Krise trieb.

Quelle: http://www.heise.de/tp/artikel/44/44423/4.html


Diese Strategie der wirtschaftlichen Zerstörung der Nachbarstaaten durch massive Exportüberschüsse ist jedoch nicht neu. Das gab es schon in den 1930er Jahre, also kurz vor dem Ausbruch des 2. Weltkrieges:
Zitat:

Eine ähnliche exportfixierte Politik, die mit massivem Protektionismus einherging, verfolgten die meisten Industriestaaten während der großen Depression der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts. Hierfür etablierte sich der Begriff "Beggar-thy-neighbour" (Wörtlich; "Schnorre bei deinem Nachbarn". Sinngemäß übersetzt: "Ruiniere deinen Nachbarn") im angelsächsischen Sprachraum während der großen Weltwirtschaftskrise. Er bezeichnet eine aggressive Wirtschaftspolitik, die darauf abzielt, vermittels Handelsüberschüssen die Krisenfolgen auf andere Länder abzuwälzen.

[...]

Nochmals: Ohne diese Exportüberschüsse würde auch die Illusion einer funktionsfähigen kapitalistischen Arbeitsgesellschaft in der BRD verschwinden, die nun nahezu alle deutschen Politiker zu ihrer oberlehrerhaften Arroganz gegenüber den Rest der Eurozone ermuntert.

Quelle: Ebenda


Bereits schon die Entstehungsgeschichte des Euro wurde gezielt eine neoliberale Linie verfolgt, die wirkungsvolle Massnahmen zur Abdämpfung von Spannungen von vornherein ausschloss:

Zitat:

Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl hat seinen langjährigen Theo Waigel gerade deswegen ins Amt berufen, weil er "einen durchsetzungsfähigen Finanzminister brauchte", so erinnerte sich der Tagesspiegel, "nicht nur mit Blick auf den Bundesetat, sondern wegen Europa und der geplanten Einheitswährung und der sich nun schon abzeichnenden deutschen Einheit".

Und Theo Waigel setzte sich durch - der Euro wurde zu einem strikt neoliberalen Projekt, das eigentlich nur den monetären Rahmen für den von sozialen Mindeststandards nahezu unbehelligten Konkurrenzkampf der einzelnen, daran beteiligten Nationalökonomien lieferte. Der Verzicht auf jegliche sozialen Grundlagen der neuen Währung und die restriktiven Maastricht-Kriterien, die durch Waigel durchgesetzt wurdenn führten dazu, dass den deutschen Exportoffensiven sichtlich keine rechtlich-institutionellen Grenzen gesetzt werden konnten.

Quelle: http://www.heise.de/tp/artikel/44/44423/5.html


Und mehr noch, was vielen nicht bewusst ist, schon damals war klar, dass vor allem Deutschland vom Euro profitieren würde, obwohl sie schon damals eine der stärksten Wirtschaften hatten:
Zitat:

Obgleich der Referent zu Zeiten "der stärksten DM aller Zeiten" (1995) Finanzminister war, so geht Dr. Waigel fest davon aus, dass ein Austritt aus der Währungsunion für Deutschland einen Wachstumsverlust von 15% ausmache. Kurzum: "Wir profitieren wie kein anderes Land von der gemeinsamen Währung!"

Quelle: Ebenda


Die ruinöse Geldpolitik dient letztlich vorallem Deutschland und selbst der Schuldenschnitt Deutschlands brachte Griechenland letztlich nicht viel, sondern diente dazu die deutschen Banken zu schützen... Gewinne werden privatisiert, Verluste vergesellschaftet:
Zitat:

Die Bundesrepublik praktizierte eindeutig eine Beggar-thy-neighbour-Politik, eine Art spätkapitalistischer Plünderungswirtschaft, mit der die eigene industrielle Basis vermittels Exportüberschüssen - und durch die daraus logisch folgende Verschuldung und Deindustrialisierung der europäischen Konkurrenz - saniert wurde.

[...]

Generell sind rund 90 Prozent der "Hilfen", die an Athen gezahlt wurden, über den Umweg Griechenlands zurück in die westeuropäischen Zentren geflossen, während Hellas in den sozioökonomischen Zusammenbruch getrieben wurde.

Wer hat nun bei dem ersten Schuldenschnitt Athens geblutet? Dies waren vor allem zypriotische Banken, was wiederum zu dem Ausbruch der Zypernkrise führte und Berlin die Gelegenheit bot, an der kleinen Mittelmeerinsel in übelster deutscher Tradition ein Exempel zu statuieren und Teilenteignungen durchzuführen (Das großgehungerte Deutschland). Da Deutschlands Banken nun aus dem Schneider sind, besteht für Berlin kein Anlass, einen weiteren Schuldenerlass in Erwägung zu ziehen.

Quelle: Ebenda


Aus diesen Fakten und den jüngsten Erreignissen gibt sich ein Gesamtbild, das doch einige verstörende Tendenzen aufweist und das auch andeutet, dass es nicht ewig so weiter gehen kann:
Zitat:

Die obigen Fakten und Zusammenhänge verdichten sich zu einem Gesamtbild: Berlin betreibt eine strikt nationalistisch-imperiale Politik, die auf rücksichtslose Durchsetzung deutscher Interessen und die Errichtung einer europäischen Hegemonie Deutschlands abzielt. (Wobei mit "Deutschland" natürlich nur diejenigen Schichten und Klassen gemeint sind, die sich eine staatliche Durchsetzung ihrer Interessen auch leisten können - aber das werden die sich mit "Deutschland" identifizierenden Irrlichter, die bei Pegida-Aufmärschen und Mahnwachen von einer Fremdbestimmung der BRD schwadronieren, wohl nie begreifen. Diese Menschen projizieren einfach ihre eigene Fremdbestimmung auf die BRD).

Doch es ist zugleich diese deutsche "harte Hand", die das frisch aufgebaute neoimperiale Projekt zerstört. Berlin wird die angestrebte Hegemonie nicht erringen, da hierzu eine zumindest marginale Berücksichtigung der Interessen der peripheren Staaten durch den Hegemon notwendig wäre. Dieselbe Politik, die zur Ausbildung des deutschen Europas führte, befördert nun dessen Zusammenbruch. Kaum errichtet, ist das "deutsche Europa" schon im Zerfall begriffen, da es an der objektiv sich zuspitzenden Krisendynamik, die durch die "Sparpolitik" noch befeuert wird, zerbricht.

Quelle: Ebenda

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