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Verdauungstrakt und Fusus coli von Kaninchen

 
   Degupedia-Forum » Hasentiere (Lagomorpha) » Verdauungstrakt und Fusus coli von Kaninchen Alle Zeiten sind GMT + 2 Stunden
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davX
Team


Anmeldungsdatum: 08.06.2004
Beiträge: 8494
Wohnort: Schweiz

BeitragVerfasst am: 05.03.2013 21:12    Titel: Verdauungstrakt und Fusus coli von Kaninchen Antworten mit Zitat

Huhu,

Meredith, A. (2010): The Rabbit digestive system. A delicate balance. Rabbiting On Winter 2010: 7-9.
http://rabbitwelfare.co.uk/pdfs/ROWinter10p7.pdf

Einleitend geht er auf das Verdauungssystem der Kaninchen ein.

Zur Ernährung bietet der Artikel wenig Neues:
Zitat:

Green foods are also important
and should be fed daily – examples are
broccoli, cabbage, chicory, dandelion,
chickweed, chard, parsley, watercress,
celery leaves, endive, raddichio, bok choy,
dock, basil, kale, carrot and beet tops.
Fruit should be regarded as a treat item
and fed in limited quantities only. High
fat or carbohydrate items should be
avoided altogether. [...]
Commercial concentrate rabbit diets
are not essential if ad lib good quality
hay, grass and greens are available, and
caecotroph intake is normal. However,
many owners like to feed these diets
for convenience. They should not be
fed exclusively or ad-lib, and it must be
emphasised that hay or grass should
always be available.

Quelle: Ebenda


Interessant ist vielleicht, dass die Bezeichnungen der verschiedenen Futtertypen erwähnt werden "Muesli" ist das was bei uns gemeinhin Körnerfutter, Buntfutter usw. bezeichnet wird. Pelletierte und extrudierte Futtermittel werden als pelleted diets oder nuggeted diets (kurz nuggets) bezeichnet.

Der restliche Teil und Hauptteil behandelt die Gastrointestinal (GI) stasis oder gastric stasis. Darunter ist zu verstehen wenn die Verdauungsaktivitäten des Darms sich reduzieren, sprich etwas salopp ausgedrückt, wenn der Darm streikt. Hervorgehoben wird unter anderem die Bedeutung der Fasern für die Darmaktivität und es werden eine Reihe von Faktoren genannt, welche diesen Zustand beeinflussen können und zum Schluss gibt es noch ein paar Behandlungsmöglichkeiten.


Ein eher allgemeines Dokument über die Verdauung, welches auch ausführlicher die Kaninchen behandelt, allerdings nur in Französisch... das Schöne ist neben der recht umfangreichen Infos eine ansprechende und sehr üppige Bebilderung:
http://physiologie.envt.fr/spip/IMG/pdf/Phys_digest_12.pdf
Mit einem Umfang von 12 Seiten ist dieser nicht zu verachten, es ist allerdings französisch. Das könnte insofern für Leute ein hilfreicher Einstieg sein, welche der Sprache mächtig sind, eine Hilfe zum Verständnis fachspezifischer französischer Artikel z.B. von Gidenne und Lebas suchen.

Artikel zum Fusus Coli (teils auch als colonic spindle genannt):

Auer 1925: Further note on the fusus coli of the rabbit. Exp Biol Med 22(5): 301-303.

Auer & Seager 1934: Absorption from the Rabbit's Colonic Spindle (Fusus Coli) and Adjacent Sections of the Colon. Exp Biol Med 32(3): 504-505.
http://ebm.rsmjournals.com/content/32/3/504.extract


Dürr 1988: Der Transepitheliale Elektrolyttransport am Fusus coli des Kaninchens. Dissertation, Uni Hohenheim
http://books.google.ch/books/about/Der_Transepitheliale_Elektrolyttransport.html?id=kZQwHQAACAAJ&redir_esc=y


Und sehr interessant von Dr. Sándor Fekete:
Nutrition and Dietetics of Rabbit, Folien/Präsentation, 40 S.
http://www.dietvet-holistic.hu/download/HONLAP_A/TEACH_AID_2010-II/Rabbit_09-A-St.pdf
Diese Folien sind echt eine Wucht! Vor allem auch die Visualisierung der Umwandlung/Verdauung der Kotpillen im Magen ("Fate of cecotrophe in the stomach", S. 14)

Weitere Infos gibt es unter anderem auch in unserem Forum, z.B.
Kotform: Kugeln und Bohnen

Und als Degupedia Magazin Artikel:
Kotfressen bei Hasentieren (Schnellansicht)
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Hasenfrau
Nager-Erforscher


Anmeldungsdatum: 19.01.2011
Beiträge: 49
Wohnort: NRW

BeitragVerfasst am: 08.05.2013 10:27    Titel: Re: Verdauungstrakt und Fusus coli von Kaninchen Antworten mit Zitat

Darf ich mich an diesen Thread mit einer grundsätzlichen Frage zur Darmflora hängen? Falls nein, bitte abtrennen.

Fürs bunny-in und seine Besucher haben wir uns aktuell an die viel empfohlenen Probiotika begeben und die Inhaltsstoffe mal analysiert. Für uns machen wir das weniger, da das Team i.d.R. dies Produkte nicht füttern muss oder möchte. Beim Zusammenstellen und analysieren der einzelnen Inhaltsstoffe war ich sehr froh, dass ich schon gegessen hatte, denn sonst wäre mir sicher der Appetit vergangen.

Ich persönlich bin wie Andreas Rühle auch der Ansicht (und wie sicher viele weitere hier), dass die gesunde Ernährung aus Mutter Natur das beste Probiotika ist.
Dazu habe ich auch folgende Info recherchiert, dass verschiedene Pflanzen Lactobacillus enthalten. Primär würd es hier über die Herstellung von Silage wohl freigesetzt.
Jetzt ist die liebe Sonja keine Biologin und daher auf Eure Ideen oder Eure Gedanken angewiesen: Wie funktioniert das in der Verdauung bei den Kaninchen? Wie werden diese für die Verdauung bzw. Darmflora wichtigen Bakterien bei der Futteraufnahme im Inneren der Kaninchen "freigesetzt"? Schließlich verfüttern wir es ja nicht als Silage, wo es darüber freigesetzt wird.

Und wie ist das bei Jungtieren? Irgendwo stieß ich darauf, dass Kaninchennachwuchs ohne Darmflora zur Welt kommt und sich diese dann entwickelt. Aber wovon? Von der Muttermilch oder von dem ersten Gras was quasi die Kaninchenbabies zu sich nehmen?

Die Darmflora ..... eine Wissenschaft für sich Smile Aber eine sehr sehr interessante, finde ich!
_________________
Liebe Grüße
Sonja Hasenfrau
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Noraja
Freak


Anmeldungsdatum: 25.04.2010
Beiträge: 663
Wohnort: Schweiz

BeitragVerfasst am: 09.05.2013 00:06    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo,

meine Jungtiere haben Köttel der Mutter verzehrt. Ich weiss zwar nicht, ob das üblich ist, Andreas meinte jedenfalls nein, aber sowas wär ein Weg, der bei anderen Tierarten bekannt und beschrieben ist.
Da ich normalerweise keinen Kaninchennachwuchs habe, ist das nur eine einmalige Beobachtung.
Aber selbst wenn junge Kaninchen normalerweise keinen Kaninchenkot essen würden, so befinden sich in der Umgebung, in der ja auch andere Kaninchen leben, auch auf dem Futter "Kaninchenbakterien", die sich zum Teil im Darm ansiedeln.

Die Kolostralmich spielt wahrscheinlich auch eine Rolle, in dem sie Immunstoffe liefert, die eine Besiedlung des Darms mit schädlichen Bakterien vermindern.
Und ich meine mich zu erinnern mal gelesen zu haben, dass es in der Kaninchenmilch einen Stoff gibt, der die Besiedlung des Darmes mit Bakterien noch länger hinauszögert.


Lacotbazillen sind meines Wissens normalerweise nicht Teil der Kaninchendarmflora.
Es steht jedenfalls so im "Textbook of Rabbit Medicine" (Harcourt-Brown, 2002) und zwar nicht nur im Abschnitt "Blinddarm" (1.5.3.2 Caecal fermentation, S. 11) den ich hier zitiere, weil er schön berichtet, was man so alles für die Kaninchendarmnormalflora hält.


"In healthy rabbits, high numbers of large anaerobic metachromatic bacteria are present in the caecum (Lelkes and Chang, 1987). Nonpathogenic, gram-negative Bacteroides spp. predominate in a flora composed of a wide variety of gram-positive and gram-negative rods, cocci, filaments, coccobacilli and spirochaetes. Species such as Bifidobacterium, Endophorus, Clostridium, Streptococcus and Acuformis have been identified (Cheeke, 1987; Carabaõ and Piquer, 1998). Over 74 strains of anaerobic bacteria have been isolated from the caecal mucosa and many of these species have not been identified (Straw, 1988). Lactobacillus and E. coli spp. are usually absent from the normal gut flora of adult rabbits but may be found in rabbits fed on a high carbohydrate, low fibre diet. The intestinal flora contains many non-pathogenic protozoa. Entamoeba cuniculi is a large sluggish amoeba that is found in large numbers in the lumen of the large intestine. The flagellate, Giardia duodenalis can be found in the duodenum but does not cause clinical disease. Eutrichomastix, Enteromonas and Retortamonas spp. are nonpathogenic protozoa found in the caecum (Owen, 1992)."


Zitat:
Beim Zusammenstellen und analysieren der einzelnen Inhaltsstoffe war ich sehr froh, dass ich schon gegessen hatte, denn sonst wäre mir sicher der Appetit vergangen.

Icxh hab mich bisher noch nie damit beschäftigt, weil ich noch nie sowas gab. Aber die Ergebnisse eurer Recherchen würden mich schon sehr interessieren.

Liebe Grüsse
Lina
_________________
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Andreas
Kaninchen würden Wiese kaufen


Anmeldungsdatum: 27.02.2009
Beiträge: 1239

BeitragVerfasst am: 10.05.2013 21:29    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo,

ein Problem für die Klärung der Frage, wie die Bakterienzusammensetzung in Bezug auf die Qualität und Quantität im Darmtrakt entsteht und sich entwickelt, sind die Untersuchungsmethoden. Nahezu alle Untersuchungen, die man zu diesem Thema findet, wurden mit Laborkaninchen durchgeführt, welche pelletierte Futtermittel erhielten. Das sind dann die Ergebnisse, die von Fekete, Cheeke, Harcourt-Brown und vielen anderen übernommen wurden. Warum das problematisch ist, zeigt eine deutsche Arbeitvon (Weber, et al., 1974), die aus meiner Sicht die einzig sinnvolle ist, die ich bisher gefunden habe.

In dieser Arbeit wurde der Einfluss verschiedener Futtermittel und Haltungsmethoden betrachtet – demzufolge sind auch die Ergebnisse etwas anders als in vielen anderen Veröffentlichungen mit Labortieren und Industriefutter. Es gab vier Gruppen von Kaninchen:
Gruppe I: 5-8 Tage alt, die Ernährung bestand nur aus Muttermilch, die Muttertiere erhielten pelletiertes Fertigfutter und Trinkwasser ad libitum, Bodenhaltung auf Einstreu
Nachgewiesen wurden: Kokken, coliforme Keime, anaerobe Laktobazillen, Bacteroides

Gruppe II: 3-4 Wochen alt, zusätzlich zum pelletierten Fertigfutter täglich frisches Grünfutter (Gras, Löwenzahn, Mohrrüben, Kartoffelschalen) und Trinkwasser ad libitum, Bodenhaltung
Nachgewiesen wurden: Kokken, Bazillen, aerobe + anaerobe Laktobazillen, coliforme Keime, Clostridien, Bacteroides

Gruppe III: 6 1/2-8 Wochen alt nach dem Absetzen in der 3.-4. Lebenswoche Bodenhaltung aufgezogen, Heu und täglich frischem Grünfutter ad libitum
Nachgewiesen wurden: Kokken, Bazillen, aerobe + anaerobe Laktobazillen, coliforme Keime, Clostridien, Bacteroides

Gruppe IV: 6 1/2-8 Wochen alt. Nach dem Absetzen in der 4.-6. Lebenswoche einzeln in Metallkäfigen mit Drahtböden, pelletiertes Fertigfutter und Trinkwasser ad libitum
Nachgewiesen wurden: Kokken, Bazillen, coliforme Keime, Bacteroides

Bakterien der Gattung Bacteroides machten, unabhängig von Alter und Fütterung der Tiere, mengenmäßig stets den größten Anteil aus. Anaerobe Laktobazillen waren bei allen Kaninchen außer den nur mit pelletiertem Fertigfutter ernährten Tieren (Gruppe IV) nachzuweisen. Aerobe Laktobazillen (Genus Lactobacillus Beijerinck) und Clostridien fanden sich nur bei mit Grünfutter ernährten Jungkaninchen (Gruppe II und III), während sie im Darminhalt von nur mit Muttermilch (Gruppe I) bzw. nur mit Pelletfutter (Gruppe IV) ernährten Kaninchen stets fehlten. Das Auftreten aerober und anaerober Laktobazillen bei Kaninchen ist also ernährungsbedingt und steht im Zusammenhang mit Grünfutterverabreichung. In auffallendem Gegensatz zu anderen Arbeiten standen die fast regelmäßig bei gesunden Tieren in allen Gruppen nachgewiesenen hohen Mengen an Colibakterien bzw. coliformen Keimen. Als besonders bemerkenswert wurde festgestellt, dass gerade Tiere im Alter von 5-8 Tagen in allen 4 Darmabschnitten die höchsten Colizahlen (10^7-10^8/g Darminhalt) aller Tiergruppen aufwiesen. Mit zunehmendem Alter nahm der Anteil der Colibakterien bis auf 10^2-10^5/g Darminhalt bei 6 ½ - 8 Wochen alten Tieren ab. Als Ursache der hohen Colizahlen in der vorliegenden Arbeit wurde die Bodenhaltung vermutet. Aus dieser keimreichen Umgebung können Bakterien über Futter, Trinkwasser und Einstreu bzw. auch ohne Nahrungsaufnahme in den Darmtrakt gelangen. Es gab aber in der Untersuchung keine erkrankten Tiere. Andere Untersuchungen zeigten, dass alleinige orale Verabreichungen von E. coli-Keimen auch in hohen Mengen nicht zum Entstehen von Dysenterien führten. Vielmehr traten solche immer nur in Verbindung mit anderen schädigenden Faktoren, wie z. B. einem gleichzeitigen Kokzidienbefall auf. Deshalb können Colikeime in der Darmflora bei Jungkaninchen in Abhängigkeit von den Umweltbedingungen als normale Passanten vorkommen, allerdings muss ihr Nachweis allein selbst bei noch nicht abgesetzten Kaninchen nicht apriori auf eine krankmachende Bedeutung hinweisen.

Matthes (1981) hat Folgendes geschrieben:
“Die Darmflora gesunder Kaninchen besteht vorwiegend aus grampositiven Bakterien (Bacillus spec., Laktobazillen) und Vertretern der Bacteroidesgruppe. Sie bleibt bei gleichbleibender Fütterung und Haltung weitgehend konstant. Störungen des Keimgleichgewichtes, die spontan auftreten können, geben bei Jungkaninchen Anlaß zu schweren Darmschäden mit meist tödlichem Ausgang. Bei dysenteriekranken Tieren wird häufig eine starke Besiedlung des Darmes mit gramnegativen Bakterien, besonders mit E.-coli-Keimen beobachtet. Auch CI. perfringens kann ätiologisch bei Darmerkrankungen der Jungkaninchen beteiligt sein, wie kasuistische und experimentelle Untersuchungen gezeigt haben.“
Quelle: Matthes, S. (1981): Untersuchungen über die bakterielle Darmflora von Kaninchen. Kleintierpraxis. 1981, 26, S. 383-386.


Diese Informationen beziehen sich auf eine frühere Arbeit von Matthes aus dem Jahr 1969, die ich aber nicht habe. Ich vermute, dass die Untersuchungen unter typischen Versuchsbedingungen (also im Labor mit Pellets) stattfanden.

Bei einer Fütterung ohne frisches Grün weicht die Zusammensetzung der Bakterienpopulation deutlich von der arttypischen ab. Es ist also auch verständlich, dass bei einem Eindringen von pathogenen Keimen, die bei arttypischer Fütterung durchaus als normale Passanten vorhanden sind, das Immunsystem überfordert ist. In den meisten Haltungen kommt als belastender Faktor noch Stress hinzu, was in der Regel gar nicht bekannt ist oder ignoriert wird.

Der Körper kann nur das bekämpfen, was er kennt. Dafür gibt es das Immunsystem, was im Wesentlichen aus dem angeborenen und dem erworbenen besteht. Das heißt, nach der Geburt setzt sich der Organismus mit seiner Umwelt auseinander und „lernt“, gegen schädliche Einflüsse zu kämpfen. Dabei entsteht u. a. ein Gleichgewicht zwischen „gesunden“ und „schädlichen“ Bakterien. Das ist quasi wie eine Waage, die austariert ist. Fehlt eine Komponente, neigt sich die Waage und das Gleichgewicht ist gestört. Bei keimfrei aufgezogenen Versuchstieren kommt es deshalb zu Immunmangelzuständen und zur unvollständigen Ausbildung der Peyer-Plaques (Gruppen von Lymphknoten). Die angeborene Immunabwehr kann bei fremden Eindringlingen sofort loslegen, die erworbene, spezifische Immunabwehr braucht dagegen ca. 1 Woche, bis sie gegen den Eindringlig voll einsatzfähig ist. Da kann es manchmal schon zu spät sein.

Der Magen ist die erste „Auffangstation“ für Keime (Bakterien) jeder Art. Sein niedriger pH-Wert und Enzyme töten weitesgehend schädliche Bakterien ab, die über das Futter oder aus der Umwelt aufgenommen werden. Die Milch der Häsin ist so gut wie steril und wird erst bei der Aufnahme durch, z. B. an den Zitzen haftenden, Bakterien kontaminiert. Da Laktobazillen eine hohe Säuretoleranz aufweisen, überstehen sie auch den Magen mit seinem niedrigen pH-Wert. Sie selbst produzieren wiederum Substanzen, die den pH-Wert im Dickdarm regulieren, der bei gesunden Tieren <7 ist. Sie sind also auch ein wichtiger Regulator für den pH-Wert im Blinddarm.

Aus dem Einfluss des Futters auf die Bakterienzusammensetzung und –zahl wird deutlich, warum Futterumstellungen relativ langsam erfolgen sollten. Bei der Umstellung von Winter auf Sommer bzw. Trocken- auf Grünfutter ist Durchfall oft eine Reaktion auf diese Änderung. Der oft erwähnte, angebliche Eiweißüberschuss ist Quatsch, weil der Gehalt im Trocken- und Grünfutter meist der gleiche ist.

Wenn E.-coli-Bakterien im Blinddarm nachgewiesen werden, ist das eigentlich völlig normal, denn sie produzieren Vitamin K.

Zum Thema Probiotika:
Probiotika können die Zeiten von Durchfallerkrankungen verkürzen und das Immunsystem stimulisieren, aber:
Suerbaum et al. (2012) hat Folgendes geschrieben:
“Probiotische Keime sind per definitionem apathogen; trotzdem kann in einzelnen Fällen eine gewisse Virulenz nicht völlig negiert werden. Probiotische Keime tragen oft antibiotische Resistenzgene, die sie in ein Biotop einbringen können: Laktobazillen sind z. B. häufig resistent gegen Vancomycin. Es ist zu befürchten, dass sie diese Resistenz auf Enterokokken übertragen oder probiotische Keime diese Resistenzen erwerben. Andererseits können bei immunkompromittierten Empfängern probiotische Keime als opportunistische Infektionserreger in Erscheinung treten. Laktobazillen vermögen z. B. eine Endokarditis hervorzurufen, die sich dann mit Vancomycin nicht mehr behandeln lässt. Bei Patienten mit Leukämie sind Fälle von schweren Infektionen durch Bacillus subtilis beschrieben worden.“
Quelle: Suerbaum, S.; Hahn. H.; Burchard, G.-D.; Kaufmann, S. H. E.; Schulz, T. F. (2012): Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie. Berlin, Heidelberg, New York: Springer. ISBN 978-3-642-24166-6.“


Ein weiteres Problem bei der Anwendung von Päppelfuttern jeder Art ist, dass sie alle arttypischen Vorgänge außer Kraft setzen. Das geht mit der Aufnahme los (müssen nicht gekaut werden) und mit dem eigentlichen Verdauungsvorgang weiter. Da sie extrem gut verdaulich sind, erhöht sich die Verweilzeit des Futterbreis im Darmtrakt, was wiederum den eher schädlichen Bakterien und Hefen dient, die sich davon ernähren. Deren Stoffwechselprodukte sind aber oft toxisch, als Konkurrenten der „guten“ Bakterien verändern sie den pH-Wert im Blinddarm, was wiederum ihrer eigenen Vermehrung dient. Ein Teufelskreis.
Hasenfrau hat Folgendes geschrieben:
Schließlich verfüttern wir es ja nicht als Silage, wo es darüber freigesetzt wird.

Nein, das muss auch nicht sein. Wo sollen denn Wildkaninchen Silage her bekommen? Allein die Verfütterung von frischem Grünfutter schafft das Milieu im Darm, welches den Bakterien in genau der richtigen Zusammensetzung als Lebensraum und dem Kaninchen (über den Blinddarmkot) in Notzeiten über Engpässe hilft.

Ich weiß nicht, ob das einigermaßen verständlich ist. Ich werde das am Wochenende noch etwas ausformulieren und auf meine HP packen. Den Link stelle ich dann hier ein. Es gibt eine Reihe guter Literatur, die dazu noch sortiert werden muss. Der Tipp mit dem Kapitel in einer Neuauflage ist gar nicht so schlecht, auch wenn dieses Thema doch sehr „special“ ist und Otto Normal wahrscheinlich eher weniger interessiert Smile

Zusammenfassend kann man feststellen, dass Alternativen zur arttypischen bzw. artgemäßen Nahrung auch alternative Bedingungen in Bezug auf die Zusammensetzung der Bakterien im Darmtrakt schaffen, die wiederum Auslöser für Darmerkrankungen sein können.

Noraja hat Folgendes geschrieben:
meine Jungtiere haben Köttel der Mutter verzehrt. Ich weiss zwar nicht, ob das üblich ist, Andreas meinte jedenfalls nein, aber sowas wär ein Weg, der bei anderen Tierarten bekannt und beschrieben ist.

Wenn ich das wirklich irgendwo behauptet habe, korrigiere ich mich. Üblicherweise legt die Häsin in der Nähe des Nestes Köttel ab, an denen die Jungtiere nach dem Verlassen des Nestes zumindest knabbern. Das ist Fakt bzw. stimmt mit dem überein, was Du (und ich) beobachtest hast.

freundliche Grüße,
Andreas

Genutzte Quellen:
Matthes, S. 1981. Untersuchungen über die bakterielle Darmflora von Kaninchen. Kleintierpraxis. 1981, 26, S. 383-386
Suerbaum, S.; Hahn. H.; Burchard, G.-D.; Kaufmann, S. H. E.; Schulz, T. F. (2012): Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie. Berlin, Heidelberg, New York: Springer. ISBN 978-3-642-24166-6
Weber, A., Christ-Vietor, M.; Schliesser, T. (1974): Untersuchungen zur bakteriellen Darmflora von Jungkaninchen in Abhängigkeit von Alter und Ernährung. Zbl. Bakt. Hyg., I. Abt. Orig. A. 1974, Bd. 229, 1, S. 109-116
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davX
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Anmeldungsdatum: 08.06.2004
Beiträge: 8494
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BeitragVerfasst am: 13.05.2013 11:40    Titel: Re: Verdauungstrakt und Fusus coli von Kaninchen Antworten mit Zitat

Hallo Sonja,

das mit den Probiotika und der Verdauung ist so eine Sache.
Die Theorie, wie sie gerne erklärt wird, lautet wie folgt:
Es handelt sich um Bakterien, welche resistent sind gegen die Magensäure und daher unbeschadet im Dickdarm ankommen sollen. Und dort besiedeln sie den gestörten Darm, sprich man geht hier davon aus, dass schon hier etwas mit dem Darm nicht stimmt, denn im gesunden Darm haben sie keinen Platz, da die Darmwand voll besiedelt ist und sie kaum gesunde Bakterien verdrängen können... sie werden schlicht und einfach ausgeschieden. Was bei Probiotika aber bedacht werden sollte, dass sie in gewissen Umständen zu gesundheitlichen Problemen führen können, gerade bei Personen, die irgendwelche gesundheitliche Probleme hatten, gab es in der Vergangenheit bei Menschen negative Auswirkungen.

Zitat:

Und wie ist das bei Jungtieren? Irgendwo stieß ich darauf, dass Kaninchennachwuchs ohne Darmflora zur Welt kommt und sich diese dann entwickelt. Aber wovon? Von der Muttermilch oder von dem ersten Gras was quasi die Kaninchenbabies zu sich nehmen?

Ja es scheint so zu sein. Allgemein bei Hasentieren scheint das Kotfressen bei den Jungtieren verbreitet zu sein und dient offenbar dem Transfer der Darmflora. Speziell zur Verdauung des Kaninchens und anderer Hasentiere hatte ich vor einiger Zeit einiges zusammengetragen, darunter auch zu der Entwicklung der Jungtiere und im Rahmen des Degupedia Magazins veröffentlicht:
http://www.degupedia.de/forum/download.php?id=18

Zitat:

Wenn ich das wirklich irgendwo behauptet habe, korrigiere ich mich. Üblicherweise legt die Häsin in der Nähe des Nestes Köttel ab, an denen die Jungtiere nach dem Verlassen des Nestes zumindest knabbern. Das ist Fakt bzw. stimmt mit dem überein, was Du (und ich) beobachtest hast.

Das hatte ich auch so im Kopf, zumal wir, soweit ich mich richtig erinnere, zum Thema Kotfressen persönlich genauer diskutiert haben. Da man so ähnliche Aussagen auch in Literatur findet, hätte es mich ehrlich gesagt auch überrascht, wenn ihr da anderes beobachtet hättet.
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Hasenfrau
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Anmeldungsdatum: 19.01.2011
Beiträge: 49
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BeitragVerfasst am: 14.05.2013 09:43    Titel: Re: Verdauungstrakt und Fusus coli von Kaninchen Antworten mit Zitat

Ihr seid spitze! Ich wusste doch, dass ich hier im Forum am ehesten dazu Antworten finde.
Das von Matthes bzgl. Laktobazillen habe ich auch heute recherchieren können, dass sie wohl sehr wohl vorhanden sind. Es ist sehr interessant, was da an Beobachtungen je nach Art der Fütterung gemacht wurde.

Andreas, es eilt nicht. Ich muss da eh noch ein wenig grübeln wie ich den bunny-in Bericht mache. Das auseinanderfieseln der Probiotika ist jedenfalls schon fertig - zum Glück. Denn das was nun folgt ist definitiv interessanter.

davX, ich lese mir Deinen Link ganz in Ruhe mal durch.


Bei den Kotkugeln war ich bislang zwar jemand, der das auch so als Tipp mal gegeben hat, aber ich habe das dann wieder gelassen, weil sich durch das Verfüttern von Kotkugeln meist nix tat (z.B. bei einer Durchfallerkrankung) und ich mehr Erfolg hatte nach der eigentlichen Ursache zu suchen, die dann abzustellen und dann ggf. die Ernährung anzupassen. Oder bei meiner Häsin Feli. Sie hatte ständig Tympanien, äußerst schmerzhaft. Sie hat mir nun beigebracht, dass ihr einfach das Futter zu gehaltvoll ist. Diese Mengen an Knollensellerie, Wurzelgemüse wie Karotte & co, das packt sie einfach nicht. Sie verträgt primär blättriges. Und wenn ich dann wieder gucke was die Wildkaninchen fressen...... Tja so schließt sich der Kreis.
_________________
Liebe Grüße
Sonja Hasenfrau
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Andreas
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Anmeldungsdatum: 27.02.2009
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BeitragVerfasst am: 14.05.2013 18:21    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo Sonja,

das Verfüttern von Kotkugeln (Hartkot) würde ich nicht empfehlen. Der Blinddarmkot gesunder Tiere kann aber schon recht sinnvoll sein. Manche Tierärzte (alte Schule) empfehlen das ebenfalls. Dieser Kot enthält ja genau die Darmflora in Qualität und Quantität, die kranken Tieren beim Aufbau ihrer eigenen, gestörten Darmflora helfen kann. Ist quasi stinkende Probiotika... Wink

freundliche Grüße,
Andreas
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Hasenfrau
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Anmeldungsdatum: 19.01.2011
Beiträge: 49
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BeitragVerfasst am: 15.05.2013 19:47    Titel: Antworten mit Zitat

Okay, nur wie komm ich an frischen Blinddarmkot ran? Meine futtern den ja immer auf und haben keine Überproduktion. Also hier hätte ich damit ein echtes Problem.
_________________
Liebe Grüße
Sonja Hasenfrau
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Andreas
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Anmeldungsdatum: 27.02.2009
Beiträge: 1239

BeitragVerfasst am: 15.05.2013 20:58    Titel: Antworten mit Zitat

Wenn man den Tieren mal 1-2 Tage ein sehr gehaltvolles Futter zusätzlich gibt (z. B. Haferflocken), wird schon etwas Blinddarmkot liegen bleiben. Bei einem Überschuss an Nährstoffen bzw. Energie wird er nicht oder nicht vollständig aufgenommen. Eigentlich ist die Funktion des Blinddarmkotes ja die Versorgung bei suboptimaler Nahrung (sehr rohfaserreich, wenig Nährstoffe).

Der Hartkot dagegen enthält das, was das Tier nicht mehr benötigt, also den wirklichen "Abfall" aus der Nahrung. Der Blinddarmkot aber enthält die Mikroorganismen, Proteine und Vitamine, die es Nahrungsengpässe überstehen lässt. Was dem gesunden Tier in Notzeiten hilft, hilft ergo dem darmkranken Tier mit einer zerstörten Darmflora in dieser "Notzeit". Wenn Schadbakterien die gesunden verdrängt haben, dienen die aus dem Blinddarmkot des anderen, gesunden Tieres zur Neubesiedelung des Darms des kranken Tieres. Das ist genau das, was Du wahrscheinlich in dem anderen Thread mit "nachwachsender Darmflora" meintest. Die Probiotika dienen ja genau dem gleichen Zweck, aber eben mit dem Nachteil, dass es sich hierbei nur um Laktobazillen handelt. Die tatsächliche, natürliche und gesunde Darmflora bekommt man aber eben nur aus dem Blinddarmkot eines gesunden Tieres.

Wenn man Kaninchen, sehr gute, vorrangig blättrige, frische Wiesennahrung bietet, bleibt in der Regel auch Blinddarmkot liegen. Bei uns jedenfalls... Wink

freundliche Grüße,
Andreas
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Hasenfrau
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Anmeldungsdatum: 19.01.2011
Beiträge: 49
Wohnort: NRW

BeitragVerfasst am: 12.06.2013 08:04    Titel: Re: Verdauungstrakt und Fusus coli von Kaninchen Antworten mit Zitat

Hallo Ihr Lieben,

ich wollte nur kurz rückmelden, dass ich an dem Thema noch weiter dran bin. Durch einige Projekte und Patienten habe ich es leider noch nicht geschafft an meinem Bericht weiter zu feilen.
Aber gut Ding will auch Weile. Gerne poste ich den Link, wenn ich endlich fertig bin und der Artikel online geht.
_________________
Liebe Grüße
Sonja Hasenfrau
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