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Wildmeerschweinchen und die Inkas

 
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davX
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Anmeldungsdatum: 08.06.2004
Beiträge: 8494
Wohnort: Schweiz

BeitragVerfasst am: 25.01.2014 19:14    Titel: Wildmeerschweinchen und die Inkas Antworten mit Zitat

Huhu,

angeregt duch diesen Thread möchte ich ein paar Zeilen zu den Meerschweinchen und ihre wilden Vorfahren und die Inkas schreiben:
http://www.meerschweinforum.de/forum/showthread.php?t=300485

Kleiner Hinweis zu Begriffen
Wenn ich hier von Cuy schreibe meine ich die südamerikanischen Hausmeerschweinchen. Man findet den Begriff auch z.B. in englischsprachiger Fachliteratur, welcher dort anstatt dem sonst üblichen "guinea pig" eingesetzt wird.

Systematik und Abstammung der Meerschweinchen
Die Gattung Cavia umfasst eine Reihe von Wildmeerschweinchenarten, darunter das Aperea (Cavia aperea), das gewöhnlich in Menschenobhut als Wildmeerschweinchen gehalten wird. Es handelt sich um ein Tieflandbewohner, der von Kolumbien über Brasilien und Uruguay bis Nordostargentinien verbreitet ist (Redford & Eisenberg 1992). Im Westen Südamerikas, sowohl an Küste wie auch in den Anden kommt diese Art nicht vor. Das Tschudi-Meerschweinchen (Cavia tschudii, in älterer Literatur auch Cavia cutleri) ist ein Bergbewohner und kommt in den Anden zwischen 2000 und 3800 m von Peru bis Nordchile (Arica) und Nordwestargentinien (Tucumán und Jujuy) vor (Redford & Eisenberg 1992). Lange Zeit war unsicher von welcher Art die Hausmeerschweinchen abstammen, in jüngerer Zeit ergaben unter anderem Untersuchungen von Spotorno und Kollegen, dass die Hausmeerschweinchen vom Tschudi-Meerschweinchen abstammen (Spotorno et al. 2004).
Die Domestikation der Meerschweinchen fand vor etwa 3000 und 6000 Jahren statt und die Hausmeerschweinchen sind auch heute noch vorallem in den Anden weit verbreitet und erstrecken sich von Chile/Argentinien, über Bolivien und Peru bis hoch nach Ecuador und Kolumbien. Die Heimat ihrer Vorfahren dürfte wahrscheinlich bei Tschudii-Meerschweinchen aus Peru liegen und wurden von da offenbar über die Jahrtausende durch die Anden verbreitet.

In obigem Forenbeitrag wurde zum Thema Wildmeerschweinchen folgende Seite verlinkt:
http://www.meerschweinchenfreunde.at/w.htm
Die Infos sind sehr umfangreich, widersprechen aber teilweise meinen Informationen, gerade was die Wildmeerschweinchen angeht. Leider sieht man nicht, woher die Infos stammen, von welchen Literaturquellen genau.
Der Text scheint auch eher allgemein die Verbreitung der Gattung Cavia zu behandeln und bei der Haltung in Menschenobhut dürfte es sich bei den gehaltenen Wildmeerschweinchen wiederum nicht um Tschudis (Andenbewohner) sondern um gemeine Apereas, sprich Flachlandbewohner handeln. Das ist zwar ein Detail, aber genau genommen sind das dann eben nicht die Vorfahren der Hausmeerschweinchen... ähnlich dürften die beiden Wildmeerschweinchenarten sich dennoch sein, abgesehen von der Verbreitung und gewissen Unterschiede in Lebensweise und Verhalten (man sagt beispielsweise die Tschudis würden in Argentinien Gänge graben, während das die Apereas nicht täten, vgl. Redford & Eisenberg 1992).

Die Inka und altamerikanische Kulturen
Die Inka sind zwar die bekannteste altamerikanische Kultur Südamerikas und es war diejenige, welche zur Zeit der spanischen Conquista lebten und über die spanischen Chronisten am meisten zu berichten wussten. Ihr Reich bestand aber seit relativ kurzer Zeit, etwa 300 Jahren, davor gab es diverse andere Kulturen wie Tihuanaco, Moche, Chavín...
Der Erfolg und Aufstieg der Inka war wohl nur möglich, da es zuvor schon hoch entwickelte Kulturen gab, die jedoch nicht so weit verbreitet waren. Man könnte die Situation vermutlich vergleichen mit dem antiken Rom, das auch auf die Kultur der Griechen usw. bauen konnte und wahrscheinlich nur dadurch sich soweit ausbreiten konnte.
http://de.wikipedia.org/wiki/Inka
Siehe auch Baumann 1994

Das Meerschweinchen (Cuy) und dessen Domestikation ist also deutlich älter als die Inka und letztere haben nichts dazu beigetragen, ausser dass es auch unter ihrer Herrschaft eine wichtige Rolle spielte. Es soll sogar zu einer Zeit ein Gesetz gegeben habe, das die Bewohner verpflichtete zur Cuy-Haltung. Die Domestikation ist vermutlich eine recht unspektakuläre Entwicklung, die in abgelegenen Andenregionen stattgefunden haben dürfte (ok vielleicht waren sie auch nicht so abgelegen). Es gibt verschiedene Theorien, naheliegend wäre, dass man Wildtiere in Hütten einsperrte als lebendige Vorräte, andere Autoren meinen, es wären Abfallhaufen gewesen, welche die Tiere anlockten und sie sich so an die Anwesenheit des Menschen gewöhnten... selbst wenn, war vermutlich auch da der nächste Schritt, dass man sie zur Hälterung ins Haus nahm, in Küche oder Wohnung oder in einer grossen Kiste aufbewahrte, dass man sie bei Bedarf griffbereit hatte.
Das Cuy wurde mit der Zeit zu einem wichtigen Bestandteil der Kultur der Andenvölker. In der Medizin bediente man sich den Heilkräften der Cuys, man konnte sie für die Diagnostik einsetzen für das "Cuy reiben" und durch das Lesen in seinen Innereien Krankheiten zu diagnostizieren oder einfach nur zu Reinigungszwecken, da das Cuy die negativen Kräfte aufnehmen soll. Wichtig dabei war eine bestimmte Farbe und oft auch das Geschlecht ist von Bedeutung. Auch in der Religion ist das Cuy wichtig, denn es dient unter anderem als Opfertier, das man den Berggöttern zum Dank und um sie milde zu stimmen, überlässt. Zudem ist es wichtig in der Ernährung der Andenbevölkerung. Als Proteinquelle, als Geschenk und in gewissem Sinne als wertvolles Tausch- und Zahlungsmittel könnte man es betrachten, das weit in das Gesellschaftliche eine Bedeutung hatte. Selbst bei Hochzeiten als Mitgift usw. spielte es eine Rolle. Bei Festen und hohem Besuch war ein Cuy das Beste was man bieten konnte.
Das Cuy ist folglich aus der andinen Kultur nicht wegzudenken (für detailierte Abhandlung zum Thema siehe Morales 1995).

Die Ernährungsfrage
Und wie steht es nun um die Nahrungsmittel der andinen Bevölkerung und um die Ernährung der Cuys? Heutzutage ist Luzerne eines der wichtigsten Fütterungsmittel, gerade bei den kommerziellen Zuchten, doch das dürfte früher sicher anders gewesen sein.

Schaut man sich die Nahrungsmittel der Bevölkerung an, dann lebte diese vorwiegend von dem, was der Berg hergab (für Literatur siehe z.B. Bollinger 1986), exotische Pflanzen, die aus dem Amazonasgebiet oder von der Küste kamen, musste man teuer eintauschen und die war vermutlich zu wertvoll, als dass man diese an die Meerschweinchen verfüttert hätte. Was war denn exotisch? Sicher Mais (wobei teilweise soll der auch in hohen Lagen noch gewachsen haben, z.B. auf einer Insel im Titcacasee, welche ein besonders mildes Klima haben soll für diese Höhenlage), wohl auch Paprika, Tomate (wobei bei Paprika und Tomate weiss ich nicht, inwiefern diese damals schon in Südamerika verbreitet waren), womöglich auch Süsskartoffel und Maniok. Kartoffel dagegen stammte ursprünglich glaubs auch aus tieferen Lagen, wurde aber bald auch in den Anden angebaut und war verfügbar. Ich vermute auch Kürbis wurde in etwas milderen Lagen angebaut und dürfte vermutlich durch den Ertrag und den Nährwert verbreitet gewesen sein. Daneben gab es Quinoa und diverse einheimische Kulturpflanzen, die wir heute kaum kennen, z.B. Knolliger Sauerklee oder Oca. Es würde sich sicher lohnen genauer mit der Ernährung der Inka und anderer altamerikanischer Kulturen zu beschäftigen, auch von den Tieflandbewohnern des Amazonas gibt es Informationen und über den Tausch/Handel mit den Bergvölker.

Es ist letztlich naheliegend, dass die Meerschweinchen über die Jahrhunderte und Tausende nicht nur mit Gräser und Kräuter ernährt wurden, die es dort sicher auch gab, sondern dass auch Gemüse eine Rolle spielten, eben was es damals so gab dort. Das auffälligste Beispiel ist dabei die Kartoffel. Interessant ist aber auch, wie gerne Meerschweinchen Kürbis mögen und sogar die Kerne fressen. Letztlich wissen wir da momentan noch zu wenig darüber, wie breit das Spektrum an Nahrung der Inka und deren Vorgängern waren. Der Darm und die Verdauung der Meerschweinchen hat sich offenbar über die Jahrtausende angepasst, aber dass sie am liebsten Gras mögen, das kann man immer noch beobachten und wahrscheinlich war das auch ein billiges und rechtes Beifutter für die andine Bevölkerung, welche über Jahrtausende diese Tiere weiter züchtete.

Speziell am Beispiel Meerschweinchen ist der Faktor Mensch, die Dometikation hat Spuren hinterlassen und es ist interessant zu wissen, wie die Tiere über Jahrtausende in Menschenobhut gehalten wurden. Eines wird dabei auch ersichtlich, Meerschweinchen wurden nicht gezüchtet für ein Leben in Miniknästen, sondern als Tiere, die auf dem Boden von Küche, Wohnzimmer oder unter dem Bett leben, auf mehreren Quadratmeter Grundfläche, teilweise hatten sie sogar eine eigene Hütte.

Literatur
* Baumann, P. (1994): Das Letzte Geheimnis der Inka. Weltbild Verlag, Augsburg.

* Bollinger, A. (1986): So nährten sich die Inka. Schriftenreihe des Institutes für Lateinamerikaforschung und Entwicklungszusammenarbeit an der Hochschule St. Gallen. Band 3. Gasser, Chur (Schweiz).

*Morales, E. 1995: Guinea pig. Healing, food, and rituals. University of Arizona Press, Tucson (USA).

* Redford & Eisenberg (1992): Mammals of the Neotropics. The Southern Cone. Volume 2. Chile, Argentina, Urugauy, Paraguay. The University of Chicaco Press, Chicaco.

* Spotorno et al. (2004): Molecular diversity among domestic guinea-pigs (Cavia porcellus) and their close phylogenetic relationship with the Andean wild species Cavia tschudii. Revista Chilena de Historia Natural 77: 243-250. (PDF)
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