davX Team
Anmeldungsdatum: 08.06.2004 Beiträge: 8494 Wohnort: Schweiz
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Verfasst am: 07.04.2014 00:33 Titel: Iridoidglycoside = giftig...? *grr* |
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Huhu,
manchmal fragt man sich echt. Die Seite ist interessant, aber in gewissen Punkten offensichtlich auch etwas komisch:
http://futtervonderwiese.npage.de/gaestebuch-emails-etc/fragen-hinweise-vorschlaege.html
Ich glaube sogar, wir hatten genau das Thema schon mal kurz angesprochen... die Klappertöpfe, sie enthalten offenbar Iroid-Glykoside und die sollen giftig sein. Nun gut. Als erfahrener Tierhalter nimmt man sowas erst mal ohne Wertung zur Kenntnis.
Erster Reflex, was sind Iroid-Glykoside und wie wichtig sind sie tatsächlich? Eine kurze Suche führt schnell zu Wikipedia:
http://de.wikipedia.org/wiki/Iridoide
Zitat: |
Iridoide liegen in der Pflanzenzelle häufig als Glycoside vor, das heißt, sie sind häufig über eine O-glycosidische Bindung an ein Monosaccharid - häufig D-Glucose - gebunden. Als Glycosid entfalten sie für die Pflanze selbst keine toxische Wirkung, da sie als gut wasserlösliche Substanzen wie viele andere sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe wahrscheinlich in der Zellsaft-Vakuole gespeichert werden. Durch die Kompartimentierung innerhalb der Pflanzenzelle wird vermieden, dass die Glycoside mit Enzymen in Verbindung kommen, welche den kovalent gebundenen Zucker abspalten können und damit die Iridoide aktivieren. Tatsächlich besitzen Pflanzen, die toxische Glycoside synthetisieren, häufig ein "passendes" Enzym, welches die entsprechenden Glycoside mit einer hohen Affinität umsetzt. Wird die Pflanze nun von Fressfeinden befallen (Herbivorie), wird durch das Fressen die Kompartimentierung innerhalb der Pflanzenzellen aufgehoben, indem das Pflanzengewebe zerstört wird. Glycosidasen, welche oftmals in der Plasmamembran gebunden vorliegen, können jetzt mit den aus der Vakuole freigesetzten Iridoidglycosiden in Berührung kommen. Das Monoterpen wird von dem Zuckermolekül durch enzymatische Katalyse hydrolytisch abgespalten und das toxische Aglycon wird freigesetzt. Das Aglycon ist biologisch sehr reaktiv. Durch die Freisetzung des Aglycons werden die Eiweiße in nächster Umgebung denaturiert und verlieren so ihren Nährwert.
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Wie ihr sicherlich unschwer an obigem Text feststellen könnt, ist das eine hochinteressante Sache, leider ein bisschen kompliziert geschrieben. Etwas einfacher gesagt ist ein Irioidglykosid ein Irioid, das an ein Zuckermolekül (daher Glykosid) gebunden ist und welches das Ganze ungiftig macht. Doch für alle, die sich ein bisschen mit dem Thema Herbivorie beschäftigt haben, wäre das absolut witzlos. Ein Enzym muss also her, welches den Zucker abspalten und das Irioid aktivieren kann, yeah, jetzt wirds spannend . Den liefert die Pflanze gleich mit, damit es aber nicht zu einer Reaktion kommt, wird das Glykosid von der Pflanze eingekapselt (in eine Vakuole) und somit vom Enzym getrennt. Erst durch das Fressen des frischen Krauts wird das Zeug dann aktiviert und fertig ist unsere Waffe gegen die bösen Frassfeinde der Pflanze.
Wer jetzt noch ein bisschen von der Sache versteht, weiss sicherlich auch, dass das nichts Besonderes ist und es zig andere Stoffe gibt, die ähnlich funktionieren. Die Frage ist daher, wie problematisch ist der Stoff wirklich, gibt es Anpassungen von Seiten der Pflanzenfresser und wie gehen sie damit um? Auch wirken nicht alle Stoffe auf alle Pflanzenfresser gleich, einige Stoffe wirken zum Beispiel besonders auf gewisse Insekten usw. Grosse Pflanzenfresser in Form von Säuger sind da eigentlich eher ein kleineres Übel, die kann man mit Stacheln, schlechtem Geschmack usw. vom Leib halten oder wenn sie dann doch zubeissen, dann ist ihr Schaden meist nur punktuell... dazu kann sie die Pflanze je nach dem als Samenverbreiter missbrauchen. Sich rasant vermehrende und ausbreitende Insekten dagegen sind viel kritischer für das Überleben einer Pflanze.
Nun, bevor ich aber da noch weiter mache, zäumen wir mal die Sache von der anderen Seite auf. Sind Klappertöpfe giftig?
Check bei http://www.giftpflanzen.com/ ... kein Treffer
Meine stark eingeschränkte Giftpflanzenliteratur... auch kein Treffer
Clinitox.ch ... auch kein Treffer
Wikipedia... weiss interessantes zu berichten:
Ansonsten keine nennenswerte Hinweise zum Thema.
Also dann muss tiefer gesucht werden... nach dem Motto, wer genug lang sucht, der findet:
http://www.kew.org/science-conservation/plants-fungi/rhinanthus-minor-yellow-rattle
http://practicalplants.org/wiki/Rhinanthus_minor
*Lupe hervorkramt* jaa... da ist was. Der Huxley (1992) sagt, dass sie giftig sei, und zwar für Vieh und sie es daher nicht fressen würden. Komisch nur, dass Wikipedia dem leicht widerspricht mit den Beobachtungen bei den Kühen *kopfkratz*:
Huxley. A. The New RHS Dictionary of Gardening. 1992. MacMillan Press ISBN 0-333-47494-5
Das Internet findet also was und ich hab jetzt nicht alle seriöse Giftpflanzenliteratur durchgestöbert, die mir eigentlich zur Verfügung stehen würde (ein Teil ist seit dem Umzug immer noch nicht gezügelt worden). Aber wenn die Pflanze wirklich so problematisch wäre, müsste man eigentlich mehr Hinweise finden. Sie scheint also eher in die Kategorie Platzräuber/Pflanze mit geringem Futterwert zu fallen...
Aber ich will ja eigentlich zurück zu meinen geliebten Iridoidglykoside . Die stecken nämlich noch in ganz anderen wunderbaren Pflanzen, zum Beispiel:
Breitwegerich, auch das bei der Giftigkeit erwähnte Aucubin ist drin... yes!
nächster Kandidat...
Mönchspfeffer - ja sogar bei Giftpflanzen.com gelistet
und zur Abwechslung wieder mal eine "gute" Pflanze:
Eisenkraut
Jetzt aber im Ernst, worauf will ich hinaus? Die Auflistung soll in erster Linie mal eine gewisse Willkür aufzeigen, wenn man die Giftigkeit alleine an einzelnen Inhaltsstoffen ausmachen will, gerade wenn es sich nicht um solche handelt, die schon in geringen Mengen starke Wirkungen haben (wie das teilweise bei Alkaloiden der Fall ist). Was aber sicher zutreffend ist, dass offenbar Iridoidglykoside in all diesen Pflanzen dafür verantwortlich sein könnte, dass diese Pflanzen häufig nicht so gerne gefressen werden, gerade beim Breitwegerich und beim Eisenkraut fiel mir das auf.
Fazit?
Eine interessante Seite mit fragwürdigem Hinweis beschert mir eine kurzweilige und offensichtlich auch lehrreiche Recherche. Erkenntnis: Iridoide könnten vermutlich ein wichtiger Grund sein, dass gewisse Pflanzen nicht gerne gefressen werden (in grösseren Mengen zumindest). Sie sind aber offenbar, so der erste Eindruck der Recherche nicht so weit verbreitet im Pflanzenreich oder aber sind die Mengen bei vielen Arten nicht erwähnenswert. Und irgendwie erinnert mich die Geschichte nun auch an die giftigen Apiole, welche in der Petersilie drin sind - wer sucht, der findet. _________________ Degu-Fütterungstagebuch | Degupedia bei Youtube | Meine Degu-Aussenhaltung (Video)
Es preciso conocer el nombre de las plantas para que podamos salutarlas y ellas nos saluden a nosotros. GOETHE
Manche Menschen sind Steine und manche sind Otter. |
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