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Platzfrage: Kleinsäuger vs. Terraristik

 
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davX
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Anmeldungsdatum: 08.06.2004
Beiträge: 8494
Wohnort: Schweiz

BeitragVerfasst am: 12.12.2011 00:59    Titel: Platzfrage: Kleinsäuger vs. Terraristik Antworten mit Zitat

Huhu,

beim Studieren eines älteren Terrarienbuch ist mir etwas aufgefallen, das ich doch einmal festhalten möchte:

Zitat:

Der bekannte Terrarianer SENFFT hat einmal den Satz geprägt, ein Terrarium nicht so gross wie möglich, sondern so klein wie nötig zu bauen. Ich muss ihm, nach meinen Erfahrungen mit den verschiedenartigsten Behältern, Recht geben. In der Natur wird der Raumbedarf eines Tieres vor allem durch das Futterangebot bestimmt; im Terrarium wird das Tier gefüttert, unser Terrarium kann also wesentlich kleiner sein als das Territorium in der freien Natur. Viel wichtiger als die Behältergrösse ist die Raumqualität, die Gliederung in Örtlichkeiten, die nicht nur den morphologischen und ökologischen Ansprüchen unserer Pfleglinge Rechnung tragen, sondern auch den psychischen. [...]

Quelle: S. 24, in: Stettler, P.H. (1981): Handbuch der Terrarienkunde. 2. Auflage. Franckh'sche Verlagshandlung W. Keller & Co., Stuttgart.


Dem gegenüberstellen möchte ich jedoch die Aussage von Konrad Lorenz, der über die moderne Aquaristik schimpfte, welche Filter etc. nötig habe, da die Haltung der Wasserlebewesen nicht extensiv erfolge, sondern durch die viel zu hohe Individuendichte und die zu knappen Ressourcen das Biotop Aquarium quasi künstlich aufrecht erhalten werden müsse. Ein durchaus interessanter Denkansatz.

Allerdings existieren sehr wohl Unterschiede zwischen Reptilien und Kleinsäuger, die mitunter die unterschiedlichen Sichtweisen erklären könnten:
Reptilien sind meist wahre Energiesparer, das fängt schon bei der Körpertemperatur an, durch die Abhängigkeit von der Umgebungstemperatur ist es nicht nötig den Körper durch hohe Energiezufuhr in Schwung zu bringen. Während es also bei Reptilien durchaus normal sein kann, dass stundenlanges rumsitzen normal ist und dem Energie sparen dient, würde ein solcher Kleinsäuger wohl für krank erachtet werden, da Apathie als Zeichen für eine mögliche Erkrankung gewertet wird.

Und noch ein Unterschied fällt auf, während es bei Kleinsäugern oft keine speziellen Anforderung an das Klima gibt, ist so manches Terrarientier von gut eingestellten Klimaparameter abhängig. Diese lassen sich in einem kleineren Behälter einfacher erreichen und Änderungen werden schneller wirksam (was je nach dem aber auch negativ sein kann).

Doch trotz dieser Unterschiede scheint es auch bei Nagern so zu sein, wenn ein gewisses Mindestmass überschritten wird, dann erreicht man oft mit einer guten, den Bedürfnissen der Tiere entsprechenden, Einrichtung mehr als mit Platz alleine. Bei Rennmäusen waren einfache Behausung mit Dunkelteil und Röhre schon hilfreich um Verbesserungen in den öden Laboralltag zu bringen (die Tiere werden gewöhnlicherweise für solche Experimente in Makrolonboxen gepflegt).
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Knusper
Süchtig


Anmeldungsdatum: 11.09.2010
Beiträge: 79

BeitragVerfasst am: 12.12.2011 02:06    Titel: Antworten mit Zitat

Ja, Reptilien ticken völlig anders als Säuger, aber leider werden sie oft mit ihnen über einen Kamm geschoren, auch im Tierschutzgesetz. Würd ich z.B. Königspythons in einem Terra mit den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestmaßen halten, würden sich einige Exemplare vor Stress zu Tode hungern. Und auch die Börsenordnung schreibt Behältergrößen vor, die Schlangen unnötig stressen. Schlangen brauchen keinen "Auslauf", das ist nichts als Vermenschlichung. Königspythons z.B. bewegen sich in freier Natur nachgewiesenermaßen 10m im Jahr! Dass sie bis vor nicht allzu langer Zeit in Gefangenschaft gestorben sind wie die Fliegen, lag wie man heute weiss an zuviel Platzangebot und dem dadurch verursachten Stress (in der Natur pferchen sie sich in Nagerbauten und Termitenhügel). Am wohlsten fühlen sie sich augenscheinlich in niedrigen Plastikschubladen ("Racks"):
http://www.dorka.de/Allgemein/faq/faq.php?dat=Einzel&ID=16
Klar dass Kleinsäugerhalter darüber wahrscheinlich schockiert sind, aber wie gesagt - Reptilien ticken anders.
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Ich vermöchte kaum zu sagen, wie viele Freuden ich den weißen Mäusen verdanke.
Th. Lessing
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davX
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Anmeldungsdatum: 08.06.2004
Beiträge: 8494
Wohnort: Schweiz

BeitragVerfasst am: 12.12.2011 23:54    Titel: Re: Platzfrage: Kleinsäuger vs. Terraristik Antworten mit Zitat

Stimmt, die Rackhaltung ist in der Terraristik ein Thema. Vor einer Weile war darüber mal in der Terraria was drin.
Ich hatte damals dann auf meiner Homepage den Racks und Buchten eine eigene Kategorie eingerichtet in meiner Literaturliste zum Thema Käfigbau und Co.:
http://www.octodons.ch/index.php/Kaefigbau#literatur

Den Artikel, den du angegeben hast, finde ich sehr interessant und auch wertvoll, weil er die Sache schön dokumentiert. Wobei was ich mich gefragt habe, ob nicht viel eher die fehlenden geeigneten Kleinstrukturen das Problem ist, denn dass der Behälter zu gross sei... mit anderen Worten, so ein Tier könnte im Prinzip auch in einer riesigen Tropenhalle zusammen mit anderen Tieren leben, wenn es sein Steinversteck hätte in dem es sich, durch den engen Kontakt mit den Wänden geborgen fühlt. Das Problem ist hier dann eher die Unkenntnis des Halters, der nicht fähig ist, ein grosses Behältnis mit den nötigen und geeigneten Kleinstrukturen auszustatten.
Insofern wäre das dann wieder ein allgemeines Problem, das wir im Prinzip auch bei Kleinsäuger haben, wenn auch es dort nicht ganz so schlimm ist, wenn diese nicht ihren Bedürfnissen gerecht gehalten werden. Bei ihnen kommt denn auch in der Tat der Bewegung mehr Bedeutung zu, wie ich ja auch schon eingangs angerissen hatte.

Allerdings unter ökonomischen Gesichtspunkten ist eine Rackhaltung in der Tat die beste Lösung, sowohl in Bezug auf die Bedürfnisse des Tieres, als auch in Bezug auf die Raumnutzung für den Halter.

Zitat:

Königspythons z.B. bewegen sich in freier Natur nachgewiesenermaßen 10m im Jahr!

Weisst du vielleicht noch die Quelle davon? Das würde mich nämlich schon interessieren - ich könnte das sicher noch gut gebrauchen.
Dazu kommt, dass ich aus dem Bereich der Nager weiss, wie schwer es ist, an Quellen zu kommen, welche solche Fakten festhalten.
Bei Degus beispielsweise kenne ich genau eine Quelle, welche dieser Frage nachging und zum Schluss kam, dass die untersuchten Tiere pro Tag etwa 1100 m zurücklegten und eben nicht viele Kilometer, wie man lange Zeit immer wieder in Deguforen lesen konnte.

Dazu habe ich in den letzten Tagen mich etwas durch Terraristikliteratur gewälzt und dabei fiel mir auf, dass die Herangehensweise ziemlich verschieden ist von der klassischen Kleinsäugerhaltung. Da ich ja auch noch was zum Thema Kunststoff und Gefahren schrieb und dabei wieder über deinen Beitrag gestolpert bin, passt das irgendwie auch sehr gut. Denn ich finde der Einsatz von Kunststoff, wie du ihn sehr schön dokumentiert hat, zeigt diesen Kontrast sehr deutlich, während aus Angst gerade dieser Aspekt sonst gerne gerade in deutschen Tierhalterkreisen unterdrückt wird.

Interessant ist nämlich, dass das Terrarium eigentlich ein Stück Lebensraum der gehaltenen Tierart nachbilden soll. Das war der ursprüngliche Gedanke und ist nach wie vor fest verankert bei vielen Terrarianern (und natürlich auch in der Aquaristik ein auffälliges Ding). Dagegen ist das was man bei vielen Kleinsäugern sieht oft weit entfernt von einem Ausschnitt natürlichen Lebensraums. Die Gründe dafür sind natürlich vielfältig, aus eigener Erfahrung muss ich sagen, dass praktische Gründe da eine grosse Bedeutung haben: Die Behältnisse sind oftmals zu klein für die Tiere und ein relativ häufiger Substratwechsel ist nötig. Deshalb zeigen sich gut wechselbare Substrate im Vorteil gegenüber natürlichen Substraten. Selbst der Einsatz von Saubertierchen wie Asseln oder Zophobas dürften vermutlich nicht ausreichen den Bodengrund in einem gewöhnlich grossen Tierkäfig sauber zu halten. Wenn wir dann einen Schritt weiter gehen und uns Gedanken zur Bepflanzung machen, werden wir das Problem haben, dass die Tiere das Zeug schnell abfressen und durch den beschränkten Platz findet eine Übernutzung des Bodens statt, die Vegetation kann so kaum noch wachsen. Ein weiteres Hindernis ist dann natürlich noch die Technik, welche nötig wäre, dass die Pflanzen schön grün wären, sprich wenn man nicht von Hand giessen möchte, müsste ein Bewässerungssystem her.


Beim nochmaligen Durchlesen fällt mir auf, dass ich mich eingangs teils sehr ungenau ausdrückte, z.B. hier:

Zitat:

Und noch ein Unterschied fällt auf, während es bei Kleinsäugern oft keine speziellen Anforderung an das Klima gibt, ist so manches Terrarientier von gut eingestellten Klimaparameter abhängig. Diese lassen sich in einem kleineren Behälter einfacher erreichen und Änderungen werden schneller wirksam (was je nach dem aber auch negativ sein kann).

Das ist so für sich alleine ja Quatsch. Gerade wenn wir den Blick auf so manche exotischen Kleinsäugerarten richten, so sind die je nach dem sehr wohl anspruchsvoll was Klimaparameter angeht. Was in den meisten Käfigen an Kleinsäugern gehalten wird, das ist oft mehr oder weniger anspruchslos was Klima, Luftfeuchte und Beleuchtung angeht. Die speziellen Anforderungen sind insofern auch irreführend, da diese eine Frage der Sichtweise sind:
Hierzulande sind spezielle Anforderungen solche, die sich von dem hierzulande üblichen Klima sich unterscheiden (sprich relativ trockenes Raumklima von 20... bis 30 Grad und mehr im Sommer). Zwar weisen viele Kleinsäugerarten eine relativ hohe Toleranz gegenüber unterschiedlichen Klimabedingungen auf, dennoch darf das natürlich nicht zur Annahme verleiten, dass sie deswegen anspruchsloser seien als Tierarten aus anderen Klimazonen.
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