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Nösenberger......die neue Zielscheibe mancher Tierschützer
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Andreas
Kaninchen würden Wiese kaufen


Anmeldungsdatum: 27.02.2009
Beiträge: 1239

BeitragVerfasst am: 12.07.2013 21:51    Titel: Antworten mit Zitat

@Tiger: vielen Dank! Jetzt kann ich mit Deinem Wissen angeben... Laughing

Ich führe mal das angerissene Thema der zusätzlichen Versorgung mit Fertigfuttern fort.

Das Problem bei Stoffen wie Vitaminen ist, dass ihre Wirkungsweise nur grob bekannt ist, man kratzt da immer noch an der Oberfläche. Ein weiteres, sehr großes Problem ist außerdem, dass bestimmte Wirkungen erst langfristig auftreten. Die Untersuchungen benötigen also sehr viel Zeit und verursachen somit auch hohe Kosten. Deshalb können Kritiker von Vitaminzusätzen auch viele Behauptungen aufstellen, die sich schlicht (zur Zeit) nicht widerlegen lassen. Beispiel für den Menschen in Bezug auf einen möglichen Vitamin-D-Mangel: "Sollte daher jeder prophylaktisch Vitamin-D-Präparate einnehmen? Wissenschaftler diskutieren diese Frage kontrovers: Randomisierte kontrollierte Studien, die den Einfluss der Vitamin-D-Einnahme auf die Sterblichkeit untersuchten, zeigten insgesamt eher geringe Effekte. Zurzeit laufen große Untersuchungen, die noch einige Jahre Nachbeobachtungszeit benötigen, um die Frage der Wirksamkeit von Vitamin-D-Präparaten zu klären. „Die Ergebnisse der ESTHER-Studie zeigen jedoch, dass sich dieser Forschungsaufwand durchaus lohnen könnte, da niedrige Vitamin-D-Spiegel in Deutschland sehr verbreitet sind“, sagt Dr. Ben Schöttker, der Erstautor der Arbeit."" Quelle: DKFZ - Erhöhte Sterblichkeit wegen Vitamin-D-Mangel

Auch interessant: Brustkrebs und Vitamin D

Wenn man die Ernährung und Lebensweise von Mensch und Tier miteinander vergleicht, gibt es jeweils zwei sehr grundsätzliche, mögliche Ausgangspositionen
1. eine gesunde Lebensweise mit einer gesunden, ausgewogenen Ernährung
2. das genaue Gegenteil, nämlich eine ungesunde Lebensweise und eine suboptimale Ernährung.

Das heißt für den ersten Fall, das normalerweise keinerlei Zusätze, welcher Art auch immer, nötig wären. Der zweite Fall ist heute, egal ob für Mensch oder Tier, aber der Regelfall.
Mensch (überwiegend):
- Arbeitszeiten und Tagesabläufe, die dem Biorhythmus widersprechen
- lange Aufenthalte in künstlich beleuchteten und klimatisierten Räumen
- wenig Bewegung
- zubereitete Nahrung, die zudem noch verseucht oder mit Zusatzstoffen angereichert ist (Wer kocht denn heute noch regelmäßig selbst?)
- veränderte Nahrung (z. B. Mehle mit einem extrem hohen Vermahlungsgrad)
- zu viel Fleisch und zu viel Getreide
- Nahrung mit Ersatz-/Zusatzstoffen, die das Gepanschte geschmacklich aufwerten müssen (sonst würde es keiner runter bekommen)
...

Kaninchen (überwiegend):
- Haltungsbedingungen, die nicht den natürlichen entsprechen
- lebenslanger Aufenthalt in künstlich beleuchteten Räumen mit schlechtem Raumklima (Temp., Luftfeuchtigkeit etc.)
- wenig Bewegung
- Nahrung, die nicht der natürlichen entspricht
...

Für Mensch und Tiere gilt außerdem, dass es Situationen gibt, in denen sich der Bedarf bestimmter Stoffe erhöhen kann (Krankheiten, Stress, Winter etc.). Der Mensch nimmt dann halt Medikamente mit Supplementen, wie z. B. Vitamin C, zusätzlich auf.

Von einer arttypischen Ernährung abgesehen, bekommt das Kaninchen in aller Regel Nahrung, die zwar natürlich, aber nicht arttypisch ist und zu wenig Nähr- und Wirkstoffe enthält (Heu + Gemüse) oder Nahrung, die extra hergestellt wird. Für letztere ist charakteristisch, das sie geerntet, getrocknet, gelagert und verarbeitet wird. Durch diesen Prozess gehen viele Nähr- und Wirkstoffe verloren oder verändern sich. Das heißt, man weiß so ziemlich genau von vornherein, das dort wichtige Stoffe fehlen und auch, wie viel davon. Es ist doch also völlig normal, dass diese dem Futter wieder zugefügt werden müssen. Man könnte natürlich nur natürliche Stoffe nehmen, aber das Problem von diesen ist ja genau das Gleiche, weshalb sie verlorengegangen sind: sie sind nicht haltbar bzw. leicht verderblich. Außerdem ist es eine Kostenfrage. Weil der Halter nicht jeden Tag loslaufen und neues Futter kaufen möchte, müssen auch Antioxidantien rein. Und so weiter. Ein Futtermittelhersteller macht aus seiner (und aus gesetzgeberischer) Sicht alles richtig. Er bedient faule Tierhalter. Früher konnten nur jene Kaninchen halten, die wenigstens annähernd deren Bedürfnisse mit natürlicher Nahrung befriedigen konnten, Trockenfutter gibt es erst seit den 1950ern.

Es gibt mittlerweile sehr viele Kaninchenhalter, die ihre Tiere mit arttypischer Nahrung, also frischen Gräsern und Kräutern, versorgen. Das heißt aber nicht automatisch, dass alles gut und richtig ist. Faktoren wie Vegetationsstadium, Standort, Lagerung, Pflanzenteile und deren Verdaulichkeit, Gesamtmenge des (verwertbaren) Futters usw. spielen eine wichtige Rolle. Wer hier unsicher ist, kann den Wert erhöhen, indem zusätzlich etwas angeboten wird. Ich würde jetzt nicht unbedingt eine Ampulle mit irgendwelchen Konzentraten aufziehen, sondern schauen, wo ein Mangel bestehen könnte und den gezielt mit natürlichen Zusätzen auf Basis einer freiwilligen Aufnahme anbieten. Und hier befinden wir uns jetzt am Scheideweg: manche denken, mit natürlicher Nahrung wäre alles paletti und man muss nichts Zusätzliches anbieten (schon gar nicht künstliche Zusätze), andere gehen auf Nummer Sicher und ergänzen.

Ich bekomme sehr viele mails, in denen ich um Rat gefragt werde. Die Beschreibungen der Fütterung und die jeweilige Erkrankung(en) zeigen, dass die beschriebene Fütterung offenbar sehr gut ist, aber die Erkrankung darauf hinweist, dass sie nicht gut ist. Das hängt eben jeweils vom Wissen und von der jeweiligen Wahrnehmung ab. Manche sammeln frisches Grün, dass besteht aus 20 Grashalmen und 10 Löwenzahnblättern, die außerdem noch gewaschen und im Kühlschrank gelagert wurden. Das wird auch „Wiese“ genannt. Manche schicken eine Liste mit Pflanzen, die sie sammeln würden, die liest sich fast wie die „Flora Helvetica“. Toll. Trotzdem leiden die Tiere an typischen Mangelerscheinungen. Andere schreiben, sie halten ihre Tiere in der Wohnung und die sehen nie natürliches Tageslicht, aber kriegen viel Wiese…

Wir hatten kürzlich das Thema Vitamin D beim Wickel – wie soll ein Tier in Wohnungshaltung an dieses Vitamin kommen? Selbst mit Wiesenfütterung ist die Zufuhr ausgeschlossen und in der Wohnung kann es nicht selbst gebildet werden, weil die UV-Strahlung fehlt. Was nun? Was soll ich dem Halter empfehlen? Es gäbe zwei sehr sichere Möglichkeiten:
1. ich schließe meinen mail-account
2. der Halter gibt das Tier in eine „Freiland“-Haltung ab. Nun ist es aber so, dass verschiedene, private Organisationen, die aus ihrer Sicht einen Tierschutz vertreten und betreiben, von einer Freilandhaltung abraten, weil die gefährlich ist. In diesem Punkt „konkurriere“ ich quasi mit dieser Einstellung, obwohl mittlerweile viele wenigstens schon zu einer Grünfütterung raten. Das war ja auch nicht immer so.

Es gibt natürlich noch weitere Möglichkeiten:
3. der Halter füttert sonnengetrocknetes Heu. Woher weiß er aber, dass das zutrifft und in welcher Menge dieses Heu das Vitamin enthält?
4. er füttert z. B. Champignons – ob getrocknet oder frisch, wäre egal. Ist eine Kostenfrage. Außerdem fressen Kaninchen eher wenig Pilze, es könnte also sein, dass der Halter die teuren Dinger weglässt, weil er meint, das Tier frisst die sowieso nicht
5. er füttert Goldhafer. Hier wäre aber Vorsicht geboten, weil leicht eine zu hohe Aufnahme der Fall sein kann, außerdem ist der nur schwer verfügbar.
6. der Halter kauft spezielle Lampen, die aber auch nicht immer das halten, was sie versprechen

Die einzige Möglichkeit für eine adäquate Versorgung mit Vitamin D, bei der ich relativ sicher sein kann, ist ein deklariertes Fertigfutter. Sicher nicht optimal, aber besser als gar nichts. So sehe ich zumindest die Sache. Aus meiner Sicht ist eine Ablehnung in diesem Fall eher kontraproduktiv. Und das Tier bezahlt mit der Einstellung seines Halters. Nicht der. Leider. Es wäre schön, der Halter könnte die jeweiligen, möglichen Konsequenzen seines Handelns am eigenen Leib erfahren: Entzündungen, Zahnfehler, Abszesse, brüchige Knochen, Blasensteine…

Das ist nur ein einziges Beispiel, warum ich etwas anders als die Kritiker das Problem einer Nahrungsergänzung sehe.

Eine Überdosierung an Vitaminen, wie sie von Kritikern gern und oft herauf beschworen wird, ist eigentlich nicht möglich, weil Alleinfuttermittel ja eine Menge enthalten, die bei alleiniger Fütterung eine ausreichende (nicht überdosierte) Versorgung sicher stellen sollen. Wird ein solches Futter rationiert angeboten, hat sich das Thema somit sowieso erledigt. Füttert der Halter frisches Grün wie behauptet, wird selbst bei einer ad-libitum-Fütterung nichts passieren wird, weil das Tier dann nur geringe Mengen aufnimmt.

freundliche Grüße,
Andreas
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Frische
Nager-Erforscher


Anmeldungsdatum: 07.01.2009
Beiträge: 29

BeitragVerfasst am: 13.07.2013 09:56    Titel: Antworten mit Zitat

Bei der ganzen Diskussion um Fertigfutter, Zusatzstoffe etc. wird oft vergessen, dass diesen Futtern nicht nur Vitamine, sondern auch Mineralstoffe zugesetzt sind. So enthält das Nösenberger u. a. eine Eisenverbindung.

In den meisten Forendiskussionen geht es jedoch hauptsächlich nur um die zugesetzten Vitamine.

Mineralstoffe werden von den Tieren jedoch ebenfalls dringend benötigt. Das ist vielen "Möchtegern-Experten" aber überhaupt nicht klar.

Im übrigen glaube ich nach wie vor nicht, dass es viele Halter gibt, die ihre Tiere ausschließlich mit Heu und Gemüse ernähren. Hinterrücks werden Leckerli, u. a. von V-Kraft, gereicht. Das ist in Meerschwein-Foren deutlich zu lesen und wird bei Kaninchen nicht anders sein. Deshalb halten viele Tiere dann doch viele Jahre durch.
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Andreas
Kaninchen würden Wiese kaufen


Anmeldungsdatum: 27.02.2009
Beiträge: 1239

BeitragVerfasst am: 13.07.2013 11:48    Titel: Antworten mit Zitat

Die Tierärztin A. Ewringmann ist in der Kaninchenszene recht anerkannt, auch im Tierschutz. Deshalb kann man sich ja mal ihre Fütterungsempfehlung ansehen:

Ewringmann, 2010 hat Folgendes geschrieben:

Heu - ad Iibitum

Frischfutter - 2 x tägl. insgesamt ca. 100g/kg KGW
- strukturiertes Grünfutter, z.B. Gras. Kräuter, Löwenzahn. Möhrengrün, Blumenkohlblätter, Kohlrabiblätter, Salate (z. B. Endivie, Feldsalat, Rucola) - 1/2 - 2/3 der Frischfutterration
- Gemüse (z.B. Möhre, Kohlrabi. Brokkoli. Sellerie) - etwa 1/3 der Frischfutterration
- Obst (Apfel, Birne, Banane)

pelletiertes Alleinfutter - max. 1 EL/kg KGW/d


Nehmen wir als Beispiel ein Kaninchen, das 2kg wiegt. Ein solches Tier frisst ca. 100g Trockenmasse/Tag.

Heu ist klar, aber die Angabe mit dem Frischfutter irritiert etwas. Ich interpretiere sie so, das ein Kaninchen also am Tag (insgesamt) pro kg Körpergewicht 100g davon bekommen soll. Das würde bedeuten, ein Tier mit 2kg bekommt am Tag 200g Frischfutter, verteilt auf 2 Portionen. Rechnet man das auf die Trockenmasse um, sind das insgesamt ca. 30g.

Außerdem empfiehlt sie noch 1 EL/kg KGW/d Pellets. Ich weiß nicht genau, was 1El wiegt, ich schätze mal 10g, Das heißt für das 2kg-Tier = 18g TS/Tag.

Das bedeutet, das Kaninchen hat mit Frischfutter und Pellets 48g ungefähr die Hälfte seiner täglichen Ration mit relativ sinnvollem Futter (bezogen auf den Inhalt und Gemüse mal außen vor). Die andere Hälfte, die es fressen muss, kann dagegen theoretisch völliger Schrott sein - kommt halt auf die Qualität des Heus an. Deshalb wundert es mich auch überhaupt nicht, dass sie zusätzlich Pellets empfiehlt. Ich finde die 100g/kg KGW (wo kommt eigentlich diese sinnfreie Regel schon wieder her?) und die Pellets (wegen der Herstellungs-Form) nicht gut, aber so will sie wahrscheinlich sicherstellen, dass es wirklich ein Alleinfutter mit den entsprechenden Zusätzen ist. Es gibt aber bessere Alleinfutter als Pellets.

Insgesamt gesehen bedeutet diese Empfehlung für mich aber immer noch die Gefahr einer Unterversorgung. Ausrechnen kann man den Grad einer möglichen Unterversorgung leider nicht, weil ja das Heu undefiniert ist.

@Frische: ich gebe Dir Recht - den Darstellungen in Foren sollte man immer skeptisch gegenüberstehen Wink

freundliche Grüße,
Andreas
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Claudia
Fellnase


Anmeldungsdatum: 13.07.2013
Beiträge: 2

BeitragVerfasst am: 13.07.2013 13:36    Titel: Antworten mit Zitat

Ich habe diesen Beitrag verfolgt, da ich mir zum Thema Ernährung auch grad so meien Gedanken mache und meine Gedanken spiegeln sich hier wieder. Ich bin einer dieser "Schisser", der zwar Wiese holt aber nicht die Auswahl, die ich gerne möchte, da ich Angst habe was Giftiges anzuschleifen.

Ich füttere derzeit Cuni Complete von Versele Laga zu und mich würde Eure Meinung dazu interessieren. Ist es eine Alternative zum Nösenberger? Ich hoffe, das ist ok, dass ich es in diesen Beitrag einbringe.
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davX
Team


Anmeldungsdatum: 08.06.2004
Beiträge: 8494
Wohnort: Schweiz

BeitragVerfasst am: 13.07.2013 14:11    Titel: Re: Nösenberger......die neue Zielscheibe mancher Tierschütz Antworten mit Zitat

@Claudia
Ich glaube nicht, dass es eine geeignete Alternative zum Nösenberger ist, nur schon die Art wie es beworben wird ist aus meiner Sicht so etwas wie ei Worst Case, der hier angepriesen wird:
Zitat:

* pelletfrei
* getreidefrei
* optimal auf Kaninchen abgestimmt

Quelle: http://www.fressnapf.de/shop/cuni-complete-premium-fuer-kaninchen

Pelletfrei: ja das stimmt und könnte man als positiv werten, wenn dann nicht weiter unten in der Beschreibung des Futters stehen würde, dass es extrudiert ist, also nix mit Strukturfutter.
Getreidefrei: ja ist es, dafür ist Gemüse (und pflanzliche Nebenerzeugnisse) drin und dass das Gemüse nun getrocknet ist statt frisch macht die Sache sicherlich nicht besser, dass auch andere Saaten fehlen (abgesehen von 1,5% Leinsamen), welche als Ersatz für Getreide fungieren könnte, passt da auch schön ins Bild, aber es passt halt schön ins Mantra, wir tun was gutes und füttern getreidefrei, Amen.
Optimal auf Kaninchen abgestimmt: das sind meist die hohlen Phrasen der Futtermittelindustrie zur Bewerbung ihrer Produkte. Spätestens nachdem wir wissen, dass Gemüse (und pflanzliche Nebenerzeugnisse) den Hauptbestandteil dieses Futters ausmacht, wäre das wohl ebenfalls widerlegt.

Einen genaueren Blick auf die Zusammensetzung macht die Sache auch nicht unbedingt besser:
Zitat:

Zusammensetzung:
Pflanzliche Nebenerzeugnisse, Gemüse (10% Möhren), pflanzliche Eiweissextrakte, Saaten (1,5% Leinsamen), Mineralstoffe, FOS, Yucca, Tagetesblumen

Quelle: http://www.zooplus.de/shop/nager_kleintiere/futter/zwergkaninchen/prestige/216859


Zitat:

Insgesamt gesehen bedeutet diese Empfehlung für mich aber immer noch die Gefahr einer Unterversorgung. Ausrechnen kann man den Grad einer möglichen Unterversorgung leider nicht, weil ja das Heu undefiniert ist.

Nicht nur das, Kaninchen sind zudem auch keine mechanischen Maschinen mit genau festgelegtem Bedarf. Dieser kann letztlich durch den Stoffwechsel, die Aufnahmefähigkeit im Darm usw. in einem gewissen Rahmen ebenfalls beeinflusst werden.

Was die explizite Erwähnung der Mineralstoffe angeht, finde ich es auch gut, dass diese hier mal erwähnt werden, ging es doch in letzter Zeit fast nur um Vitamine.

Frische hat Folgendes geschrieben:

Im übrigen glaube ich nach wie vor nicht, dass es viele Halter gibt, die ihre Tiere ausschließlich mit Heu und Gemüse ernähren. Hinterrücks werden Leckerli, u. a. von V-Kraft, gereicht. Das ist in Meerschwein-Foren deutlich zu lesen und wird bei Kaninchen nicht anders sein. Deshalb halten viele Tiere dann doch viele Jahre durch.

Das kann ich mir sehr gut vorstellen und mir ist Ähnliches aus dem Bereich der Chinchillas bekannt, wo lange Zeit ähnlich stark an einer strikten Ernährung mit Pellets und Heu und sehr kleinen Mengen an Gras, Löwenzahn, Topinambur und Apfel festgehalten wurde. Rosine war zudem so ein mal pro Jahr zu Weihnachten oder so erlaubt. Auch da wurde unter der Hand einiges gefüttert, oft eher mit schlechtem Gewissen und daher mehr oder weniger totgeschwiegen und wenn es dann doch auskam, war dann der Sündenbock für Probleme leicht ausfindig gemacht und die Befürworter von Pellet-Heu-Wasser hatten wieder einen Grund auf die Bedeutung einer strikten Diät hinzuweisen.
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Andreas
Kaninchen würden Wiese kaufen


Anmeldungsdatum: 27.02.2009
Beiträge: 1239

BeitragVerfasst am: 13.07.2013 18:50    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo Claudia,

Angst ist grundsätzlich nichts Verwerfliches. Eine gesunde Portion Vorsicht ist immer angebracht, man sollte es halt nur nicht übetreiben. Ich finde es immer gut, wenn bei aller Angst die Halter überhaupt schon mal an frisches Grün denken.

Du musst mir nicht glauben, wenn ich Dir versichere, dass es nahezu unmöglich ist, ein Kaninchen mit einer großen Auswahl (nicht ausgesuchter Pflanzen) und entsprechend großer Menge umzubringen. Das geht einfach nicht. Dafür hat eine Wiese einfach zu wenig von dem, was verschiedentlich als "Giftpflanzen" bezeichnet wird. Der Irrtum beginnt ja meist schon dort, wo eine Giftpflanze definiert wird. Aber egal, ich will Dich nicht überreden.

Weil es so viele schöne Regeln gibt, habe ich mir inzwischen auch eine ausgedacht - um den Regel-Markt zu bereichern, sozusagen. Das ist die "50/50-ad-libitum-Andreas-und-nix-passiert"-Regel. Mein Name muss da wegen dem Urheberrecht rein Wink

Diese Regel geht so: Du wiegst Dein Tier oder schätzt grob sein Gewicht, dann gehst Du mit einem Schneidwerkzeug auf die Wiese und säbelst so viel Gräser ab, das die Menge ungefähr der Hälfte des Körpergewichts Deines Tieres entspricht (also ein 2kg-Tier = 1kg Gras). Das sollte nicht allzu alt sein und schön blättrig sein. Die max. Wuchshöhe sollte also ungefähr kniehoch sein (Ich hoffe jetzt einfach mal, Du bist keine Riesin...). Dann schneidest Du noch mal ein Kilo Löwenzahn, Klee, Spitzwegerich und Breitwegerich, wenn Du diese Pflanzen kennst. Wenn sich jetzt dazwischen irgendwelche unbekannten Pflanzen "verstecken", ist das überhaupt kein Problem. Wenn die "giftig" sein sollten, lässt das Kaninchen sie wegen des Geschmacks liegen. Es ist ja noch genügend anderes Grünzeug da. Werden sie gefressen, sind sie auch nicht giftig. Fertig. Denk mal drüber nach, vielleicht hilft Dir ja diese Regel weiter Wink

Nimm es nicht persönlich, aber dieses Futter vom Fressnapf ist Schrott.

Fressnapf hat Folgendes geschrieben:
"Dafür werden alle Zutaten zermahlen und in einem Extrusions-Kochverfahren zu kleinen Brocken verarbeitet".

Quelle: http://www.fressnapf.de/shop/cuni-complete-premium-fuer-kaninchen

Das ist ja echt der Hammer: weil man es nicht zu Stäbchen presst, ist das zermahlene Zeug der Heilsbringer. Es erstaunt mich immer wieder, mit welchen merkwürdigen Argumenten man die Käufer zu überzeugen sucht. Der Hersteller nennt das "Hauptfutter". Diesen Begriff gibt es eigentlich nicht, wahrscheinlich wird er benutzt, um futterrechtliche Bestimmungen zu umgehen. Der Rohfasergehalt ist für diese Art Futter sehr hoch, wenn man viel frisches dazu füttert, sollte aber nix passieren (Verstopfung). Vielleicht ist das ja der Grund für die merkwürdige Futterbezeichnung. Ansonsten entspr. die Deklaration ja weitgehend der von Alleinfuttermitteln. Ich persönlich würde es trotzdem nicht verfüttern.

Ein Grund dafür ist der, der vom Hersteller als "Vorteil" gesehen wird, aus meiner Sicht aber eher ein Riesennachteil ist. Vor allem dann, wenn man es tatsächlich als Hauptfutter verwendet.

Fressnapf hat Folgendes geschrieben:
Viele Kaninchen fressen nur die Leckerbissen aus der Futtermischung, die ihnen serviert wird. Man nennt dies selektives Fressverhalten. Deshalb besteht die Gefahr, dass diese Tiere nicht alle Nährstoffe aufnehmen, die sie für ein gesundes Leben benötigen."

Quelle: http://www.fressnapf.de/shop/cuni-complete-premium-fuer-kaninchen

Versuche Dir mal folgendes vorzustellen (nur als Beispiel): Du magst Geflügel, Nudeln und Gemüse. Manchmal darf es auch gern Fisch und Reis sein. Mal lieber etwas mehr Fett, mal eher weniger. Manchmal isst Du nur Brot mit Käse. Je nach Verfassung und Lust. Dein Körper sagt Dir, was er haben möchte. Er signalisiert Dir: mehr Kohlenhydrate (fürs Gehirn), wenn Du Stress hast, lieber weniger, wenn Du den ganzen Tag gar nichts machst. Kaninchen machen da nichts anderes - je nach Verfassung und Geschmack. Der kann sich schon mal ziemlich abrupt ändern. Manchmal nur deshalb, weil die Qualtität des Futters schlechter wird. Mit diesem Bröckchen-Einheitsbrei kann es aber gar nicht ausweichen. Es muss jeden Tag dasselbe fressen - egal, wie es ihm geht und was es gerade bräuchte. Es gibt Situation, da kann sich der Bedarf an bestimmten Stoffen ändern, am krassesten wäre das zum Beispiel bei Krankheiten. Trotzdem: jeden Tag Cuni-Complete... Für Dich übersetzt bedeutet das z. B.: jeden Tag Geflügel, Nudeln und Gemüse. Ohne Ausnahme. Egal, wie es Dir geht und was Du gerade gern hättest. Tolle Vorstellung, oder?

Das heißt, dieser angebliche Vorteil ist ein Nachteil, weil das Tier ungeachtet seiner Konstitution jeden Tag das gleiche fressen muss. Die selektive Fressweise wird als etwas Schlechtes dargestellt, dabei ist es genau diese Fressweise, die es eigentlich am Leben erhält und bestimmte Situationen überstehen lässt. Das funktioniert aber nur dann, wenn das, aus dem es selektieren soll, auch sinnvoll ist. Also etwas, was ihm natürlicherweise auch jeden Tag zur Verfügung steht. Und das ist nicht Cuni-Complete...

freundliche Grüße,
Andreas
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Claudia
Fellnase


Anmeldungsdatum: 13.07.2013
Beiträge: 2

BeitragVerfasst am: 14.07.2013 11:17    Titel: Antworten mit Zitat

Erstmal danke für Eure Antworten.

Zitat:
Weil es so viele schöne Regeln gibt, habe ich mir inzwischen auch eine ausgedacht - um den Regel-Markt zu bereichern, sozusagen. Das ist die "50/50-ad-libitum-Andreas-und-nix-passiert"-Regel. Mein Name muss da wegen dem Urheberrecht rein Wink


Das ist genau mein Problem. Ich frage mich immer, ob unsere Züchtungen/Hauskaninchen noch in der Lage sind zu selektieren oder ob diese Gabe evtl. auch verloren geht durch die Zucht. Ich hab z. B. einen Albino. In der Natur gibts das nicht. Er schaufelt sich in der Regel fast alles rein, was er bekommt. Ob er selektieren würde? Gut das ist aber wieder ein anderes Thema.

Zitat:
Es muss jeden Tag dasselbe fressen - egal, wie es ihm geht und was es gerade bräuchte. Es gibt Situation, da kann sich der Bedarf an bestimmten Stoffen ändern, am krassesten wäre das zum Beispiel bei Krankheiten.


Das leuchtet mir schon ein, gerade wegen einer Krankheit bzw. zwei Zahn-OP´s habe ich die Cunis auf den Plan gebracht. Sie hat nichts anderes mehr gefressen bzw. fressen können. An selbstgemachte Breis geht sie partout nicht ran. Ich hab dann die Cunis eingeweicht und so gereicht. Die hat sie wenigstens genommen. Ich dachte, so bekommt sie wenigstens alles was sie braucht und uns bleibt das Thema zwangsernähren erspart.

Ich habe das Nösenberger jetzt mal bestellt aber ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob sie das fressen kann. Müssen wir sehen.
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suntrek
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Anmeldungsdatum: 09.03.2013
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BeitragVerfasst am: 14.07.2013 13:53    Titel: Antworten mit Zitat

Hier selektieren auch Tiere aus wirklich schlechter Haltung (z.B. Max er hat früher teils merhere Tage nix bekommen) super. Kriege zwar andauernd zu hören Hauskaninchen können nicht selektieren usw. Aber ich sehe es ja hier an einigen Beispielen das es sehr wohl geht. Habe hier zu dem auch noch fast nur Tiere aus schlechter Haltung wo viele Leute schon im Vorfeld der Meinung sind die können nicht selektieren.
Ich denke ob sie selektieren kommt auch drauf an was man füttert und wie groß ist die Menge. Leute die ich kenne und sagen selektieren geht nicht geben oft nur für sie vollkommen unbedenkliche futtermittel dazu bekommen die nur so wenig das sie ja alles fressen müssen,weil sie einfach nicht genug bekommen.
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Mit freundlichen Grüßen Jasmin und ihr tierischer Anhang.
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Noraja
Freak


Anmeldungsdatum: 25.04.2010
Beiträge: 663
Wohnort: Schweiz

BeitragVerfasst am: 14.07.2013 14:07    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo,

Claudia hat Folgendes geschrieben:

Das ist genau mein Problem. Ich frage mich immer, ob unsere Züchtungen/Hauskaninchen noch in der Lage sind zu selektieren oder ob diese Gabe evtl. auch verloren geht durch die Zucht. Ich hab z. B. einen Albino. In der Natur gibts das nicht. Er schaufelt sich in der Regel fast alles rein, was er bekommt. Ob er selektieren würde? Gut das ist aber wieder ein anderes Thema.

Bestimmt. Es gibt bestimmt auch Hauskaninchen, die aus welchen Gründen auch immer, nicht selektieren, aber das sind Einzelfälle. Ich hab jedenfalls noch nie ein Kaninchen getroffen, das bei entsprechender Fütterung es nicht lernte.

Aber natürlich ist das ein Lernprozess, wenn ein Kaninchen sich gewohnt ist, dass man alles Futtern kann, was man bekommt, würd ich ihm nicht gleich von Anfang an massig Schöllkraut und Rainfarm anbieten, sondern anfangs mal mit unproblematischen Pflanzen beginnen. Einfach mal weniger leckere (z.B. harte Gräser) und besonders gute Sachen (z.B. Bärenklau, Löwenzahnblätter, zarte Kräuter, ...) ins Futter mischen dürfte schon reichen, damit das Kaninchen beginnt, gezielt auszuwählen, was es lieber frisst.
Ich mache das bei Neuzugängen jeweils auch so, dass ich mich zuerst davon überzeuge, dass das Tier weiss, wie man frisst und das Tier ggf. langsam da ran führe, ehe ich ihm alles anbiete.
Gelernt hat es noch jeder und das meist sehr schnell ...nach spätestens 3-4 Tagen konnte hier jeder so gut selektieren, dass ich wieder zur normalen Fütterung übergehen konnte.
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Noraja
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Anmeldungsdatum: 25.04.2010
Beiträge: 663
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BeitragVerfasst am: 14.07.2013 14:17    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo,

Frische hat Folgendes geschrieben:
Bei der ganzen Diskussion um Fertigfutter, Zusatzstoffe etc. wird oft vergessen, dass diesen Futtern nicht nur Vitamine, sondern auch Mineralstoffe zugesetzt sind. So enthält das Nösenberger u. a. eine Eisenverbindung.

In den meisten Forendiskussionen geht es jedoch hauptsächlich nur um die zugesetzten Vitamine.

Mineralstoffe werden von den Tieren jedoch ebenfalls dringend benötigt. Das ist vielen "Möchtegern-Experten" aber überhaupt nicht klar.

Du hast Recht, Mineralien sind ebenso wichtig wie Vitamine.
Das sich die Diskussionen viel mehr um die Vitamin drehen als um die Mineralstoffe, finde ich jedoch verständlich. Schliesslich sind Vitamine viel stärker von Abbauprozessen betroffen als Mineralien. Trocknen und Lagern zerstört einen Grossteil der Vitamine, während die Mineralien eher erhalten und verfügbar bleiben.

Aber natürlich müsste man sich das auf die Einzelnen Mineralien herunterbrechen und prüfen, welche im Heu noch in genügenden Mengen vorhanden und bei welchen die Bioverfügbarkeit abnimmt. Aber wozu, es ist ja schon ohne die Mineralienbetrachtung klar, dass Heu alleine nicht zu einer vollwertigen Ernährung taugt.
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Andreas
Kaninchen würden Wiese kaufen


Anmeldungsdatum: 27.02.2009
Beiträge: 1239

BeitragVerfasst am: 21.07.2013 10:42    Titel: Antworten mit Zitat

Claudia hat Folgendes geschrieben:
Ich frage mich immer, ob unsere Züchtungen/Hauskaninchen noch in der Lage sind zu selektieren oder ob diese Gabe evtl. auch verloren geht durch die Zucht.

Kann ich verstehen. Mit dieser Frage werden in den verschiedensten Foren Ängste regelrecht geschürt. Die Behauptung, dass Zuchtkaninchen nicht mehr in der Lage wären, zu selektieren, wird sehr oft aufgestellt. Im Prinzip behauptet man damit indirekt, dass Zuchtkaninchen komplett ihren Geruchs- und Geschmackssinn eingebüßt hätten und außerdem sämtliche körperliche Reaktionen auf verschiedene Inhaltsstoffe in Pflanzen. Offensichtlich fragt sich aber niemand in diesem Zusammenhang, warum der Mensch eigentlich noch in der Lage ist, instinktiv eine bestimmte Nahrung zu meiden oder den Verzehr einzustellen, wenn sein Körper „Genug“ signalisiert. Wie auch immer – viele Erkenntnisse über die Sinnesleistungen sowie dem Vermögen der Kaninchens, aus einer reichhaltigen Auswahl ihren tatsächlichen Bedarf zu befriedigen, stammen von Labortiertieren unter Laborbedingungen. Also von durchgezüchteten Tieren bzw. Rassen.

Ein Beispiel: Kaninchen können das Aminosäuremuster in der Nahrung erkennen und dessen Aufnahme entsprechend regulieren. Ich finde das faszinierend. Dagegen ist der Mensch ein tumber, empfindungsloser Eisblock. Wie können Zuchtkaninchen einzelne Aminosäuren „erkennen“, wenn sie angeblich mittlerweile völlig verblödet und bar jeglicher Sinne sind?

Die Feststellung, dass ein Tier alles in sich rein schaufelt, deutet darauf hin, dass etwas mit der Nahrung nicht stimmt – nicht mit dem Tier. Es hat dann gewissermaßen Not, in einer bestimmten Zeit seinen Bedarf aus der Nahrung zu befriedigen. Dann können in der Tat auch „Unfälle“ auftreten: Tympanie, Verstopfung oder halt Vergiftungen. Ist bei Weidetieren typisch, die auf leer gefressenen Weiden stehen und dann auch den letzten Müll fressen. Einfach aus Hunger.

Übrigens: selbstverständlich gibt es in der Natur Albinos. Weil die aber sehr auffällig sind, ist ihre Überlebenschance sehr gering, außerdem finden sie keine Fortpflanzungspartner.

@Noraja: ich verstehe das mit der „Bioverfügbarkeit“ nicht. Klar ist es etwas anderes, einzelne Zusatzstoffe zusammen zu mischen als wenn sie im natürlichen Verbund in einer Pflanze vorliegen. Aber die „Bioverfügbarkeit“ ist ja in den Empfehlungen für Futtermittel in dem Maß enthalten bzw. einkalkuliert, wie sie sich aus den Fütterungsversuchen ergab.

@Allgemein: wenn ich noch bei den Vitaminen bleiben darf – ein Problem bei der Beurteilung ist der geringe Bedarf (im Vergleich zu den Hauptnährstoffen wie Protein, Fett und Kohlenhydrate). Sie sind ja in dem Sinne auch keine Nährstoffe, sondern wirken katalytisch (Coenzyme) und steuernd (hormonähnlich). Viele wirken nur im Zusammenspiel mit anderen Substanzen – so ist zum Beispiel das Vitamin D nur gemeinsam mit Vitamin E und Selen optimal wirksam. Ist ein Tier von der UV-Strahlung abgeschnitten (Wohnung, Stall) und erhält kein Vitamin D über das Futter, braucht es ein halbes Jahr, bis es im Blut nicht mehr nachweisbar ist. Bis der Körper das Fehlen „registriert“ und Schäden auftreten, vergeht noch mal eine gewisse Zeit. Das heißt, bei entstehenden Krankheiten wird dann kaum noch der Mangel an Vitamin D mit betrachtet und man wundert sich, weil man doch gar nichts geändert hat. Die Wirkung erfolgt ja auch indirekt, weil das Immunsystem durch den Mangel negativ beeinflusst wird, was wiederum Krankheiten hervorruft, die man nicht unbedingt einem Vitamin-D-Mangel zuordnen würde. Eine Untersuchung von (Carstensen, 1984) zum Calcium-Stoffwechsel ging über 19 Wochen, also knapp 5 Monate. Die gleiche Versuchsdauer findet sich in einer Veröffentlichung von (Kamphues et al. 1986). In beiden Arbeiten wurde der Plasma Konzentration von 1,25-(OH)2D3 aber nicht bestimmt. (Fairham & Harcourt-Brown 1999) dagegen haben die Plasma-Konzentration sehr wohl gemessen und der Untersuchungszeitraum war länger. Da zeigten sich dann auch die Ergebnisse, die kaum jemanden interessieren.

Auch für ß –Carotin gilt der Fakt einer langsamen Wirkungsweise. Führt man es zusätzlich zu, steigt der Plasmaspiegel erst nach 6 – 8 Wochen. Die Umwandlung zu Retinol hängt außerdem u. a. von der Protein-, Fett- und Vitamin-E-Zufuhr ab. Das heißt, es nützt dem Kaninchen gar nichts, wenn man es mit Karotten zuschmeißt, wenn der Rest nicht passt, weil es nur einen geringen Teil des verfügbaren ß-Carotins in Retinol umwandeln kann.

Das Vitamin E wiederum ist sehr wichtig als Antioxidans (Schutzmittel) für die mehrfach gesättigten Fettsäuren, die ja ihrerseits wieder sehr wichtig sind. Gute Quellen für alpha-Tocopherol, der wirksamsten Form dieses Vitamins ist u. a. Getreide – aber das will ja niemand in Trockenfuttern haben.

Wie oft muss man lesen, dass Kaninchen nach knapp einem Jahr beim Halter Krankheiten entwickeln. Vor allem Zahnprobleme mit den dazugehörigen Verdauungsstörungen, weil das Futter nicht mehr richtig gekaut werden kann, sind überaus zahlreich. Das einfachste ist, das alles auf die Züchter zu schieben. Dem Tier hilft das nicht und die Ursachen dürften in den meisten aller Fälle bei den Haltern liegen. Die sind immer nur darauf bedacht, den Tieren immer mehr wegzunehmen, als zu geben. Wenn man sich vor Augen hält, wie lange es braucht, bis sich Vitamin-Mangelzustände zeigen und manifestieren, weiß man auch, wie lange es braucht, diese wieder zu beheben. Aber dann wird lieber herum gerechnet, unbewiesene Behauptungen aufgestellt, Kaninchen mit Kindern und Schokolade verglichen, „es wird schon reichen“ herum palavert und so weiter.

Wenn man die Kaninchen nicht mit ihrer arttypischen Nahrung versorgt, muss man eine entsprechende Zufuhr fehlender Substanzen dringend erwägen. Die Herumrechnerei mit Werten einzelner Vitamine bringt da nicht viel, weil entsprechend weitere Substanzen für den optimalen Stoffwechsel benötigt werden. Da verliert man schnell den Überblick.

freundliche Grüße,
Andreas

Bässler, K.-H. (2007): Vitamin-Lexikon. Vorkommen, Bedarf, Mangelerscheinungen, Anwendungsgebiete, Prävention, Supplementierung. 3. Aufl. (Sonderausg.) Köln: Komet. ISBN 3-89836-690-1

Carstensen, P. (1984): Untersuchungen zum Kalziumstoffwechsel ausgewachsener Kaninchen. Hannover: Vet. Med. Diss.

Fairham, J. & Harcourt-Brown, F. (1999): Preliminary investigation of the vitamin D status of pet rabbits. Vet Rec. 145. 452-454

Kamphues, J.; Carstensen, P.; Schroeder, D.; Meyer, H. (1986): Effekte einer steigenden Kalzium- und Vitamin-D-Zufuhr auf den Kalziumstoffwechsel bei Kaninchen. J. Anim. Physiol. a. Anim Nutr. 4. 191-208
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Schlappohr
Freak


Anmeldungsdatum: 15.02.2013
Beiträge: 359

BeitragVerfasst am: 21.07.2013 11:42    Titel: Antworten mit Zitat

Claudia hat Folgendes geschrieben:

Das ist genau mein Problem. Ich frage mich immer, ob unsere Züchtungen/Hauskaninchen noch in der Lage sind zu selektieren oder ob diese Gabe evtl. auch verloren geht durch die Zucht.


Zitat:
Er schaufelt sich in der Regel fast alles rein, was er bekommt. Ob er selektieren würde?


Mein Weibchen kam mit 2,6kg aus schlechter Haltung zu mir. Jetzt wiegt sie 5kg und ist normalgewichtig. Vorher war sie extrem unterernährt. Am Anfang hat sie alles gefressen. Jeden Tag 1-2 kg Gemüse, einen riesen Berg Heu und Trockenkräuter und eine große Schüssel Samenmischung , Zweige und das Grünzeug, was sie unter dem Schnee gefunden hat. Sie hat auch völlig Kopflos alles in sich hereingeschaufelt. Am Anfang war es ganz schlimm. Sie wusste nicht was fressbar ist und was nicht und hat die ganze Einrichtung (aus Holz) gefressen. Ebenso waren auch Schuhe und Hosenbeine in Gefahr. Sie hat ALLES gefressen, was sie zwischen die Zähne bekommen hat.

Hätte ich ihr in der Phase Giftpflanzen gegeben, hätte sie auch die in großen Mengen gefressen.

Mit der Zeit wurde es immer besser. Wenn ich jetzt einen großen Berg Wiese ins Gehege lege, wird er ersteinmal durchwühlt und dann sucht sie sich ganz gezielt Dinge heraus und lässt andere liegen. Sie kann jetzt selektieren.
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buki
Nager-Erforscher


Anmeldungsdatum: 18.03.2011
Beiträge: 44
Wohnort: Nahe Heidelberg

BeitragVerfasst am: 21.07.2013 20:22    Titel: Antworten mit Zitat

Ich habe eine ähnliche Erfahrung mit einer Häsin aus einer miserablen Haltung gemacht. Sie wog damals ausgewachsen 851 Gramm, war ausgezehrt und dehydriert (selbst mit 1,6 kg ist sie heute noch ein Leichtgewicht). Dieses Tier hat in der Anfangszeit wirklich alles in sich hineingestopft – sie war schlicht nicht daran gewöhnt, dass regelmäßig gefüttert wird. Es hat eine Weile gedauert, bis sie sich vollständig an die neue Situation gewöhnt hatte. Mittlerweile wählt sie ihre Nahrungsbestandteile sehr genau.

Dennoch ist sie von Beginn an auch ihren Instinkten gefolgt. Sie schien z.B. sehr stark auf frischen Salbei fixiert. Dieser wurde immer als Erstes und in erstaunlichen Mengen von ihr gefuttert. Kurz darauf brachte eine Endoskopie eine heftige Rachenentzündung ans Tageslicht. Die Beobachtung fand' ich – gerade in Kombination mit den damals noch zeitgleich auftretenden alten Fressgewohnheiten – sehr interessant.
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Andreas
Kaninchen würden Wiese kaufen


Anmeldungsdatum: 27.02.2009
Beiträge: 1239

BeitragVerfasst am: 21.07.2013 21:30    Titel: Antworten mit Zitat

buki hat Folgendes geschrieben:
Dennoch ist sie schon zu Beginn auch ihren Instinkten gefolgt.

Danke, Simone Smile
Das "Schlingen" oder scheinbare "wahllose" Fressen wird aus meiner Sicht oft fehlinterpretiert. So behaupten ja auch viele, ihre Tiere würden das Heu so sehr lieben, weil sie es in sich rein stopfen. Der tatsächliche Grund wird aber nicht eine besondere Vorliebe des Kaninchens für getrocknete Pflanzen sein, sondern weil einfach der Rest der Ration suboptimal ist. Da das meist Gemüse ist, zeigt sich, wie mangelhaft das als Versorgung ist. Das Tiere aus schlechter Haltung erst einmal beim Fressen ordentlich Gas geben, liegt eigentlich auf der Hand, trotzdem darf man nicht vergessen, dass sie immer noch über funktionierende Sinne verfügen. Deine Beobachtung weist auch darauf hin. Ein weiteres Beispiel: wir haben letztens zwei Tiere von uns zurückgeholt, die schlecht ernährt wurden. Die hatten ordentlich was aufzuholen und dementsprechend losgelegt, was das Fressen anging. Wir haben sie ohne viel Federlesens bei uns auf die Wiese zu den anderen Tieren gesetzt - ohne neutralen Bereich und abgezählte Halme... Wink Sie haben den Rückstand inzwischen aufgeholt und erfreuen sich allerbester Gesundheit.

buki hat Folgendes geschrieben:
Sie schien z.B. sehr stark auf frischen Salbei fixiert. Dieser wurde immer als Erstes und in erstaunlichen Mengen von ihr gefuttert – kurz darauf brachte eine Endoskopie eine heftige Rachenentzündung ans Tageslicht. Die Beobachtung fand' ich – gerade in Kombination mit den damals noch zeitgleich auftretenden alten Fressgewohnheiten – sehr interessant.

Nochmal Danke... Wink
Da hätten wir ein weiteres, schönes Beispiel für die Möglichkeit, entsprechend der Verfassung aus einem reichhaltigem Angebot oder einer genauen Beobachtung des Fressverhaltens der Tiere die Nahrung entsprechend auszuwählen/zusammenzustellen/auf Bedürfnisse einzugehen. In diesem Fall ging es wohl u. a. um die "ätherischen Öle". Ich kenne ähnliche Beschreibungen von Haltern bei Schnupfentieren und empfehle entsprechend Salbei, Thymian, Spitzwegerich, Schafgarbe etc.. Ätherische Öle haben aber leider die nachteilige Eigenschaft, leicht flüchtig zu sein und sie sind nicht synthetisierbar - getrocknete Futtermittel enthalten diese also nur noch marginal bzw. gar nicht. Wer mal Wiese mit Schafgarbe gepflückt hat, wird den herrlichen Gruch kennen, der sich mit der Zeit immer mehr verflüchtigt. Ringelblumen wären eine weitere, gute Bereicherung, aber wer hat die schon frisch zur Verfügung?

herzliche Grüße,
Andreas

PS: der Nacktmull frisst u. a. Knochen aus dem Erdreich. Das versorgt ihn mit Vitamin D Wink
http://de.wikipedia.org/wiki/Nacktmull
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Noraja
Freak


Anmeldungsdatum: 25.04.2010
Beiträge: 663
Wohnort: Schweiz

BeitragVerfasst am: 21.07.2013 23:06    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Dennoch ist sie von Beginn an auch ihren Instinkten gefolgt

Wenn ein völlig abgemagertest Tier einfach alles frisst, ist das aus meiner Sicht eine sinnvolle Strategie. Wenn es zu wenig geeignete Nahrung gibt, verhungert ein Tier, das nur sinnvolles Futter frisst schneller als eines, dass dann auch versucht aus allem was irgendwie kaubar ist und nicht völlig widerlich schmeckt, ein bisschen Energier zu ziehen und seinen es halt Holzbretter und Mulbinden.
Die paar wenigen Kaloriern, die die Verdauung da rausbringt, helfen in akuten Notsituationen halt durchaus beim Überleben.

Wobei bei mir auch ein Tier, das beim Vorbesitzer ausreichend, aber halt ausschliesslich mit Pellets, gefüttert wurde, anfangs etwas Zeit brauchte um sich an eine Ernährung mit Auswahl zu gewöhnen. Alles futterte sie nicht, aber man merkte die ersten Tage, dass sie sich erst dran gewohnten musste, dass es unterschiedliche Gründpflanzen gibt und man sich nicht mit allen einfach den Bauch vollschlagen kann. So hat sie beim ersten Auslauf soviel Thuja gefressen, dass sie Bauchweh davontrug (Selbsttherapie nicht ausgeschlossen, aber unwahrscheinlich) und der Thuja (der schon Jahre im Kaninchenauslauf stand) einging.

Aber wie gesagt, es dauert meistens nur wenige Tage und das Kaninchen frisst normal. Erstaunlicherweise schaffen es selbst Schnupfer zu einem ganz alltagstauglichen Selektierverhalten, wenn auch man schon Unterschiede zu den gesunden Tieren bemerkt, die keine Riechbeeinträchtigungen haben.


Zitat:

@Noraja: ich verstehe das mit der „Bioverfügbarkeit“ nicht. Klar ist es etwas anderes, einzelne Zusatzstoffe zusammen zu mischen als wenn sie im natürlichen Verbund in einer Pflanze vorliegen.

Ich meinte damit die Tatsache, dass beim Trocknen von Wiese die Mineralien nicht zerstört sondern erhalten bleiben, aber Mineralien im Heu zum Teil vom Organismus weniger gut oder besser aufgenommen werden können als Mineralien aus Frischfutter. Sprich Mineralien im Heu haben (zum Teil) eine andere Bioverfügbarkeit als Mineralien aus frischen Wiesenpflanzen.

Zitat:

PS: der Nacktmull frisst u. a. Knochen aus dem Erdreich. Das versorgt ihn mit Vitamin D Wink
http://de.wikipedia.org/wiki/Nacktmull

in Wikipedia steht was anderes.
Nämlich dass der Nackmul kein Vitamin D braucht um die Mineralien aus den Knochen zu verwerten.
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www.kaninchen-info.de
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