davX Team
Anmeldungsdatum: 08.06.2004 Beiträge: 8494 Wohnort: Schweiz
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Verfasst am: 10.03.2015 23:38 Titel: Krähen mit Kultur - Geradschnabelkrähen |
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Huhu,
wieder einmal haben es die neukaledonischen Geradschnabelkrähen (Corvus moneduloides) in einen Zeitungsbericht geschaft. Eigentlich kein Wunder, denn sie zählen zu den geschicktesten Werkzeugersteller der Tierwelt.
Worum geht es in dem Artikel?
Erst wieder einmal um das bekannte Stöckchen-Experiment, bzw. eine Abwandlung davon:
Eine Plexiglasbox, in der es Futter hat, das die Krähe mit einem genug langen Stöckchen sich holen kann. Ihr Problem ist jedoch, das Stöckchen ist zu kurz. Zum Glück hat es noch drei Röhrchen, in denen es längere Stöckchen hat. Sie muss nun also mit dem kurzen Stöckchen sich das längste rausangeln und kann damit dann die Leckerei (eine Made) aus der Box holen.
Was die Forscher damit bezwecken wollen, ist ebenso offensichtlich, die Krähe soll um die Ecke denken, sie soll mehrere Arbeitsschritte miteinander kombinieren können, die letztlich zur Lösung führen. Das uns bekannte Experiment wird uns dann im Verlauf des Texs auch noch erklärt:
Die Krähe muss sich aus einem Stück geradem Draht einen Haken biegen. Sie baut sich also ihr eigenes Werkzeug.
Soweit, so unspektakulär... moment, so unspektakulär ist das Thema nicht. Allerdings hatten wir es hier schon behandelt und ich stolpere immer wieder mal darüber. Es mag daher sein, dass meine Sichtweise nicht unbedingt massgebend ist. Zudem ist das Thema sehr wohl interessant. Der Zeitungsbericht jedoch kommt bei diesem Thema nicht viel weiter. Aber da war doch noch die Sache mit der Kultur, ja. Hier wirds tatsächlich nochmals spannend:
Fangen wir von vorne an, bei der Herkunft der Vögel. Ich habe es knapp erwähnt, dass sie aus Neukaledonien stammen und Neualedonien für alle, die es nicht so haben mit den kleinen Inseln, die irgendwo weit weg von uns im Meer liegen, die liegt im Südpazifik, westlich von Australien und nördlich von Neuseeland. Bemerkenswert ist, dass die Insel zur EU gehört, genauer gesagt zu Frankreich. Man spricht dort offiziell französisch, jedoch kann man nicht offiziell mit Euro bezahlen, denn die Lokalwährung ist der Franc-Pacifique (kurz CFP), welcher jedoch fest an den Euro gebunden ist. Die Insel ist mit 18 000 qkm recht gross, verglichen selbst mit der Schweiz mit ihren 41 000 qkm ist es natürlich wenig. Aber Tenerife, die grösste Kanaren-Insel (die zudem mehr Bewohner hat als Neukaledonien) kommt nur auf 2000 qkm. Wer noch mehr wissen will:
http://de.wikipedia.org/wiki/Neukaledonien
Auf dieser Insel kommen also die Geradschnabelkrähen in freier Wildbahn vor. Die Forscher fanden heraus, als sie diese Vögel studierten, dass die an verschiedenen Enden der Insel lebenden Vögel unterschiedliches Werkzeug herstellen - auch in der Wildnis nutzen sie einfache Werkzeuge aus Stöckchen, Blättern, sogar ihre eigenen Federn sollen sie teilweise nutzen um Insekten aus totem Holz zu stochern.
Die Forscher fanden dann heraus, dass die jungen Krähen nicht bereits schon von Klein auf mit Werkzeug umgehen können. Sie kommen zwar mit einer Begabung für den Umgang mit Werkzeug zur Welt, sie müssen aber durch das Beobachten ihrer Eltern oder Artgenossen die Technik erst lernen. Ein Teil ihrer Fähigkeiten ist also angeboren, ein Teil jedoch lernen sie in ihren Jugendjahren. Genau diese Kombination macht es möglich, dass die Vögel - ähnlich wie der Mensch - unterschiedliche Techniken entwickeln konnten und diese auch über Generationen weitergeben. Und das ist es letztlich, was man unter Kultur versteht.
Hintergrund zum Hintergrund:
Wie gesagt, wir hatten das Thema schon einmal und beleuchteten dabei auch die Forschung:
http://www.degupedia.de/forum/viewtopic.php?t=1931
davX hat Folgendes geschrieben: | Die Krähen Betty und Abel, welche durch die Science bekannt geworden sind. Eine der beiden Krähen lernte sogar aus einem graden Draht sich einen Haken zu biegen und dadurch zeigte sich nicht nur, dass Vögel Werkzeuge benutzen können, sondern auch welche herstellen (!).
Ein paar Japaner haben mit Degus geforscht und konnten zeigen, dass sie lernen können, mit Schieber als Werkzeuge umzugehen, um Futter zu angeln. Die Studie hatte ich hier oder im CB damals verlinkt.
Apropos dein Video mit den Vögeln, die Respekt verdienen, das sind die beiden Geradschnabelkrähen (Corvus moneduloides) Betty und Abel, die im Dienste der Wissenschaft sich beim Gebrauch von Werkzeug betätigen (Weir et al. 2002). Erwähnt werden die klugen Vögel unter anderem von Narby (Intelligenz in der Natur) und Temple Grandin (Ich sehe die Welt wie ein frohes Tier).
Der Originalfilm gibt es übrigens hier zum Download (*.mov):
http://www.sciencemag.org/feature/data/crow/
Literatur:
A. A. S. Weir, J. Chappell, A. Kacelnik (2002): Shaping of Hooks in New Caledonian Crows. Science 297: 981.
Homepage der Forschungsgruppe (University of Oxford, UK):
http://users.ox.ac.uk/~kgroup/tools/introduction.shtml
Quelle: Ebenda
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davX hat Folgendes geschrieben: | Es kommt noch besser:
Zitat: |
New Caledonian crows use tools to forage for invertebrates in dead wood. They use at least four different tool types ( Hunt 1996, 2002, 2004a), including tools cut from the thorny edges of leaves of Pandanus trees. These tools are produced in a series of manufacturing steps and have complex shapes – they are the most sophisticated animal tools yet discovered (Hunt 2000, 2004b).
Quelle: http://users.ox.ac.uk/~kgroup/tools/crow_natural_history.shtml
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Die Geradschnabelkrähen benutzen in der Wildnis also mindestens vier verschiedene Arten von Werkzeuge für die Nahrungsbeschaffung von Insekten aus Totholz.
Mindestens eine der Arbeiten von Hunt ist sogar frei im Web zugänglich:
http://rspb.royalsocietypublishing.org/content/270/1517/867.full.pdf+html |
Und so urteilt die Fachwelt
"Ich finde Vögel toll, sie sind definitv underrated..." Atropa Belladonna
SCNR
Quelle:
Andrea Trueb (2015): Diese Krähe hat Kultur. Blick am Abend, Di. 10. März 2015, S. 11. _________________ Degu-Fütterungstagebuch | Degupedia bei Youtube | Meine Degu-Aussenhaltung (Video)
Es preciso conocer el nombre de las plantas para que podamos salutarlas y ellas nos saluden a nosotros. GOETHE
Manche Menschen sind Steine und manche sind Otter. |
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